Meinungen zum Thema "Trennung von Amt und Mandat"

Von Hilke Schwingeler, Martin Preuß und Birgit Unger

aus: Basisdienst - Informationen aus dem Kreisverband Dortmund 6/2002, 11. November 2002

"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. ..." (Grundgesetz Art. 20.2) und "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer (und sozialer) Bundesstaat." (daselbst im 1. Absatz).

Es hat gute, schmerzliche und historische Gründe, dass so formuliert wurde, es sind die Leitsätze unserer parlamentarischen Demokratie. Es steht dort nicht, dass die Staatsgewalt vom Bundespräsidenten, vom Bundeskanzler oder von Parteivorsitzenden ausgeht.

Grundsätzlich ist es gut, wenn wir alle regelmäßig gezwungen werden, unsere politischen Positionen zu überdenken, neu zu diskutieren und neu abzustimmen. Diese neuen Diskussionen dienen letztlich der Schärfung der Argumente, wie es auch im Falle der Trennung von Amt und Mandat verstärkt festzustellen ist.

Hier geht es nicht, wie uns glaubhaft gemacht werden soll, um ein überholtes Dogma einer 'merkwürdigen' Partei, die mit der Aufhebung dieser Satzungsbestimmung endlich erwachsen wird und die Normalität ihrer Partei dokumentiert, sondern die Trennung von Amt und Mandat ist Ausdruck der Bändigung von Macht im demokratischen Sinne, sie soll Machtkartelle an der Spitze der Partei aus eben diesen Gründen verhindern helfen und sie ist ein Teil der Strukturen, die politische Willensbildung von unten nach oben entstehen lassen soll - also eine Umsetzung der im Grundgesetz formulierten Leitidee unserer Gesellschaft.

Dieses Instrument ist offensichtlich so wirksam, dass diejenigen, die wir als Basis in Spitzenfunktionen durch Wahl geschickt haben, diese Art der Willensbildung (Informationsfluss zwischen Partei und Parlamenten / Fraktionen) abschaffen wollen. Und diese Änderung ist so wichtig, dass demokratisch gefasst Beschlüsse nicht akzeptiert werden, sondern dass so lange abgestimmt werden soll, bis es passt. Und dieses wiederum letztlich mit einem basis-demokratischen Instrument - der Urabstimmung, was für diese Machtdurchsetzungszwecke wiederentdeckt wird. Der Parteisouverän, das einzelne Mitglied wird dafür neu entdeckt und darf seine Meinung wohlbeeinflusst über ein Kreuzchen artikulieren.

Dafür werden Scheinargumente zu Sachargumenten aufgeblasen. Informationsfluss zwischen Parlament, Regierung und Partei funktioniere nur dann, wenn möglichst wenig Personen an der Spitze sind, die sich selbst die Informationen weitergeben und in ihren Machtkartellen möglichst dicht nach außen sind. Informationsfluss also nicht geregelt und transparent über Strukturen, sondern mehr oder weniger willkürlich über Personen und damit ganz oder teilweise dem Basiseinfluss entzogen. Zuviel Misstrauen? Zudem könnten wir als GRÜNE nicht auf gleicher Augenhöhe mit den Machtspitzen der anderen Parteien verhandeln, bei denen es so ist, wie es unsere Spitzenleute wollen.

Unsere vielbeschworene Lebendigkeit und die Intensität unserer Meinungsbildungsprozesse hat mit Sicherheit auch damit zu tun, dass wir ein basisdemokratisches Delegationsprinzip auch im Umsetzung der Intentionen des Grundgesetzes immer bewusst gepflegt haben - auch und gerade in Abgrenzung zu den anderen Parteien.

Die GRÜNEN haben ihre Wurzeln dort, wo die sog. Altparteien erkennbar nicht mehr den abgestimmten Willen ihrer Basis umsetzten, sondern vom Kopf her die Meinungsbildung nach unten vermeintlich besseren Erkenntnissen entsprechend betreiben.

Ein Großteil der Lähmung z.B. in der SPD ist mit Sicherheit auf die Ohnmacht gegenüber einer omnipotenten Partei- und Regierungsspitze zurückzuführen. Was der Kanzler als Parteichef sagt, wird in der Partei gemacht. Basta!!!

Gerade aber in einer sogenannten Regierungspartei ist eine konstruktive Kontrolle der Regierung unverzichtbarer Bestandteil einer lebendigen Demokratie.

Ganz abgesehen davon frage ich mich, wer zukünftig die SprecherInnen in ihrer Doppelfunktion vor diesem ungeheuren Arbeitsaufwand schützt, der ja schon "einfache" Bundestagsabgeordnete völlig überlastet.

Also: Nicht abstimmen bis es passt, sondern demokratisch gefasste Entscheidungen akzeptieren. Das gilt im umgekehrten Fall schließlich auch. Wir haben geregelte Informations- und Meinungsbildungsstrukturen institutionalisiert in den Gremien der Partei. Und das ist gut so und offensichtlich noch so gut, dass uns viele in den sogenannten Altparteien beneiden um die Möglichkeiten kontroverser Diskussionen in aller Offenheit. Auch im Interesse der Wählbarkeit der GRÜNEN: Setzen wir hier nicht unsere Glaubwürdigkeit aufs Spiel.

Wenn selbst konservative Wissenschaftler (Scheuch/Scheuch) eine wesentliche Ursache für politischen ‚Klüngel' und Politikverdrossenheit in traditionellen politischen Strukturen (Machtkartelle an der Spitze, fehlende Transparenz und Ohnmacht der Basis und damit der einzelnen Mitglieder) ausmachen, sollten gerade wir als GRÜNE dieses empfindliche und hochbedeutsame demokratische Pflänzlein hegen und pflegen und es nicht erfrieren lassen im eiskalten Wind der ungezügelten und unkontrollierten Macht.

Lasst uns also aufpassen! In diesem Sinne für uns alle eine lebendige, fundierte und ergebnisoffene und an überhaupt nicht überholten Grundsätzen orientierte Diskussion und Meinungsbildung!

Hilke Schwingeler (Sprecherin, KV Dortmund)

Es wird abgestimmt bis das Ergebnis passt. Meine Güte, warum kann es nicht bleiben wie es ist? Muss auch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Macht symbolträchtig zur Schau getragen werden? Kann nicht die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt werden? Müssen wir die gleichen Fehler machen wie andere Parteien auch? Wer sein Mandat ernst nimmt, braucht seine ganze Kraft dafür, Abgeordnete/r ist kein Halbtagsjob, Sprecher/in auch nicht. Wer sagt denn, Claudia oder Fritz seien wirklich die Besten die wir haben? Sind nicht auch noch andere da, die nicht mehr im Parlament sitzen, die aber gleichwohl sehr gute Sprecherlnnen abgeben würden? Beide, Fritz Kuhn und auch Claudia Roth kennen die Satzung, wer mit der Arroganz der Macht das Votum einer Bundesdelegiertenkonferenz nicht anerkennen will, disqualifiziert sich. Michael Vesper will keine Urabstimmung, er will nur ein anderes Votum, hätte sich die BDK anders entschieden, wäre er nie auf diese Idee gekommen. Warum nur zerbrechen sich alle den Kopf über Demokratie in der Partei? Erkennt doch endlich das Votum der Delegierten an!

Martin Preuß (Beisitzer, KV Dortmund)

Ich meine, dass es nötig ist zu verdeutlichen, dass Beschlüsse Gültigkeit haben müssen und nicht laufend aufs Neue das gleiche Thema zur Abstimmung gestellt werden kann. Roth und Kuhn haben mit dem Risiko gespielt, dass es so kommt - sonst hätten sie von vornherein nicht für beides zur Verfügung stehen dürfen.

Das Argument für das Behalten des Abgeordnetenmandats, frau sei es den Wählerlnnen schuldig, kann hier nicht ziehen, denn keine/r verfügt über ein Direktmandat sondern ist auf Grund eines Wahlergebnisses der Partei mit einem bestimmten Prozentsatz gewählt worden. Das Glück, dabei zu sein, hat mit dem Listenplatz zu tun - wer vorne steht, kann sicher sein, muss sich aber wie die beiden des kommenden Problems bewusst gewesen sein.

Das Thema Urabstimmung unter den Mitgliederlnnen ist sicher mal zu diskutieren, aber nicht gerade in diesem Zusammenhang. Ich denke, hier sollte jetzt gar nichts mehr abgestimmt werden, alle sollten das Ergebnis akzeptieren, wir sollten uns nicht lächerlich machen mit einem nicht mehr ernst zu nehmenden Basisdemokratieverständnis! Besonders peinlich wäre es, wenn eine Urabstimmung auch kein anderes Ergebnis ergäbe.......

Und einen neuen Parteitag zu nutzen, um eine Sonderregelung befristet für die beiden speziellen Namen zu schaffen, ist ja geradezu dreist!

Ich denke, es werden sich andere finden für die beiden in der Parteispitze und die Zeit der kommenden 4 Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl ist lang genug, um der einen oder anderen Person Zeit und Chance zu lassen, sich in einer neuen Position zu finden und zu profilieren - sicher sind jetzt am Anfang nicht die Überflieger am Start, aber Entwicklung muss ja auch noch möglich sein!

So, das zu meiner Meinung, die übrigens grünnahe Menschen, die mit mir sprechen, gleichfalls so vertreten.

Birgit Unger (Ratsfraktion)