Jugend und Parlament 2003 - drei spannende Tage in Berlin

Von Dana Müller

aus: Basisdienst - Informationen aus dem Kreisverband Dortmund 6/2003, 9. Oktober 2003

Mit 400 anderen Jugendlichen aus ganz Deutschland bekam ich im Rahmen von "Jugend und Parlament 2003" vom 21. bis 23. September in Berlin auf Einladung von Markus Kurth die einmalige Chance, hinter die Kulissen des parlamentarischen Alltags unserer Abgeordneten zu blicken. Erster Höhepunkt war nach der Führung durch das Reichstagsgebäude im Tränenpalast eine Diskussion mit jungen Abgeordneten aller Fraktionen. Anna Lührmann, als Vertreterin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit 20 Jahren jüngste Abgeordnete aller Zeiten, zeigte sich in der Diskussion sehr kompetent und schien auch von den "älteren" Abgeordneten (Marco Wanderwitz, CDU, 27; Sabine Bätzing, SPD, 28; und Daniel Bahr, FDP, 26) durchaus akzeptiert zu werden. Es war schon beeindruckend, welche Funktionen eine Frau ausübt, die gerade einmal 3 Jahre älter ist als ich. Eine Unart vieler TeilnehmerInnen der gesamten Veranstaltung, jeden zunächst nach seiner Parteizugehörigkeit zu fragen, (eventuell später dann noch nach dem Namen und dem Wohnort), zeigte sich an diesem Abend deutlich. Besonders die Gruppe der CDU/CSU'ler johlten und jubelten, sobald "ihr" Abgeordneter etwas sagte. Bei Stichworten wie Öko- oder Kerosinsteuer folgte ein Chor von Missfallensäußerungen. Scheinbar funktionieren auch die jungen politisch Interessierten nur noch in Blöcken. Das behinderte die Diskussion und ich fand das unprofessionell. Mehr Offenheit in der Diskussion hätte manchem gut getan. Besonders nervend war natürlich, wie die CDU/CSU'ler (übrigens mehrheitlich Anzug- und Krawatte tragende männliche Jungpolitiker) die Ergebnisse der Bayern-Wahl feierten. Immerhin mussten wir GRÜNE uns nicht verstecken. Wir hatten 2% zugelegt. Allerdings diskutierten wir auch über die erschreckend niedrige Wahlbeteiligung von 57,3%.

Am nächsten Tag wurde die Veranstaltung offiziell durch den Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse eröffnet. Danach stellten sich die Fraktionen kurz vor. Mit Katrin Göring-Eckardt und Franz Müntefering hatten sich sogar 2 Promis Zeit genommen. Anschließend durften wir an den regulär tagenden Fraktionssitzungen teilnehmen. Die Bandbreite der Themen bei den BündnisGrünen reichte von der EU-Osterweiterung, über Kinder-/ Elternwahlrecht, Ganztagsschulen, Wehrpflicht, UN-Resolution "Irak", bis hin zur Gesundheitsreform. Danach wurde es für uns ernst. Es ging in einen der 12 Arbeitskreise. Die Themenpalette der AK´s deckten ein breites Themenspektrum der aktuellen politischen Debatten ab. (Einwanderung, Zukunft des Sozialstaates, Nachhaltige Entwicklung, Globalisierung, Bildungspolitik, Kulturpolitik, Zukunft der UN, Generationengerechtigkeit, Familienpolitik, Zukunft der Wehrpflicht, Medien und Macht).

Ziel eines jeden Arbeitskreises sollte es sein, in 4 Stunden eine Resolution mit konkreten Zielen zu erarbeiten, die am nächsten Tag im Plenum vorgestellt und abgestimmt werden sollten. Ich hatte mich entschieden für den AK "Biowissenschaftlicher Fortschritt und Menschenbild - Darf alles gemacht werden was möglich ist?" Hier ging es in der Diskussion zunächst um Möglichkeiten der Wissenschaften, bis hin zu der Fragestellung "Was darf der Mensch". Die Frage nach dem Beginn des menschlichen Lebens war wesentlich für den Diskussionsverlauf und konnte nicht eindeutig beantwortet werden. Die Frage nach ethisch - moralischen Grenzen wurde kontrovers gesehen. Auch der Vergleich zu anderen Ländern zeigte wie vielfältig die Thematik war. Bei der breiten Palette von Wissen, Halbwissen, Parteipolitik und Polemik wurde es schwierig, sich auf konkrete Punkte zu einigen.

So wurden dann in unserer Resolution folgende Forderungen auch nur mehrheitlich beschlossen:

  • Die Anzahl der gleichzeitig in vitro befruchteten Eizellen soll von derzeit drei auf eine reduziert werden.
  • Die Entscheidungsgewalt der tiefgefrorenen Embryonen soll den Eltern übertragen werden.
  • Alle überzähligen und zertifiziert entstandenen Embryonen sollen zur Stammzellenforschung freigegeben werden, sofern beide Elternteile zustimmen.
  • Das Verbot der Präimplantationsdiagnostik soll aufrecht erhalten bleiben.

Beim Treffen mit den Abgeordneten der jeweiligen Bundesländer war die Anwesenheit am Abend zwar etwas dürftig, weil gleichzeitig das Sommerfest in der Landesvertretung gefeiert wurde, aber Irmingard Schewe-Gerigk nahm sich dennoch viel Zeit für uns Jugendliche.

Im PlenarsaalAm nächsten Tag war es schon ein verdammt mulmiges, aber auch cooles Gefühl, in den blauen Stühlen des Plenarsaales zu sitzen. Die BerichterstatterInnen der einzelnen Arbeitskreise stellten in jeweils 10 Minuten die Anträge vor. Danach wurde jeweils debattiert und abgestimmt. Bei unserer Resolution wurde Einzelabstimmung beantragt. Punkt 2 und 3 habe ich wegen der Freigabe zur Stammzellenforschung abgelehnt. Bei der Endabstimmung habe ich dann logischerweise auch die komplette Resolution ablehnen müssen. Sie bekam trotzdem eine satte Mehrheit (entsprechend der politischen Verhältnisse).

Natürlich waren auch die anderen Resolutionen hochinteressant.

Ich hoffe aber auch, dass die verabschiedeten Forderungen von den Abgeordneten wenigstens zur Kenntnis genommen werden und die Arbeit nicht ganz für den Papierkorb war. Ich habe in vielen (auch nächtlichen) Diskussionen Denkanstöße bekommen, aber auch mutig GRÜNE Positionen gegen den allgemeinen Trend vertreten.

Die Tage in Berlin waren super!!