Bericht der AG Hartz

Von Gregor Fabian

aus: Basisdienst - Informationen aus dem Kreisverband Dortmund 2/2003, 15. Mai 2003

In der Hartz-AG, die sich als Initiative aus dem Neuen-Treffen zum Jahresbeginn heraus entwickelte, wollten sich Leute treffen, um zunächst einmal Recherchearbeit zum großen Themenkomplex der Hartz-Reform zu betreiben.

Wir hatten dann in unseren letzten Treffen eine Vorgehensweise entwickelt - (Klärung der örtlichen Situation: was hat das Arbeitsamt hier in Dortmund bereits umgesetzt, was startet zu welchem Zeitpunkt, wie ist die Auswirkung auf die Betroffenen, was sagt unsere Fraktion dazu; Überprüfung der juristischen Standhaftigkeit des Hartzkonzeptes; Beschäftigung mit den eigentlichen Hartz-Konzept und der jetzt relevanten geänderten Gesetze bzw. Gesetzesvorlagen; Vergleichsforschung im europäischen Ausland im Sinne einer Visionsarbeit; Untersuchung der ursprünglichen grünen Programmziele und Herausarbeitung etwaige Abweichungen) - ,die sich bislang noch nicht als wirklich erfolgreich im Sinne echter Erhellung herausstellen konnte, da subjektiv das Gefühl blieb, eigentlich noch nicht viel erreicht zu haben (bei allem Respekt der durchgeführten Recherchen). Irgendwie war es uns, als drehten wir uns im Kreise.

Dann entwickelte sich die Möglichkeit, den Antrag des KV Münster für eine Sonder-BDK (Parteitag) zum Thema Sozialpolitik positiv beantwortet zu bekommen, so daß unsere Bemühungen ein wirkliches Ziel der Mitgestaltung von Positionen, ein klares Präsentationsforum über die eigene Fortbildung hinaus für den Kreisverband etc. erhielten, was uns einerseits ermutigte, andererseits aber auch - ausgehend vom massiven Eindruck der hohen Komplexität dieses Themas - gehörig forderte. So beschlossen wir, uns für einen Moment "zurück auf Start" zu setzen und erlaubten uns, ganz naiv-subjektiv Fragen zu stellen, die zu Themenblöcken zusammengefaßt werden könnten und so in Kleingruppen und somit zeitlich flexibler zu bearbeiten wären.

Der Kettenbrief ging herum, doch bis jetzt kam es zu keiner abschließenden Bearbeitung. Als klar war, daß wir fast geschlossen zum Vorbereitungstreffen der Sonder-BDK nach Münster fahren würden, gab es zunächst den Gedanken, dort mit einer eigenen Position aufzutreten, die sich eventuell aus unseren Fragen hätte ableiten lassen. Allerdings schien es uns dann doch angesichts der knappen Zeit vernünftiger, sich einer vorhandenen, durchdachten Position anzuschließen. Immerhin brachte Lothar einen Entwurf für ein Positionspapier ein, den wir anfänglich diskutierten. So kamen wir in unseren Beratungen vor dem Treffen auf ein paar zentrale Punkte, die uns allen wichtig waren und deshalb besonders diskussionswürdig erschienen:

  1. Beteiligung aller Einkommensgruppen bei den Sozialabgaben
  2. Gerechte Finanzierung statt kostenloser Mitversicherung, z.B. Krankenversicherung
  3. Im Sinne des Solidarprinzips sollen Zwangsversicherungen den Lebensstandard absichern, für individuelle Wünsche sind Privatversicherungen zuständig
  4. Grundsätzliche Entlastung des Faktor Arbeit, hierzu vgl. die DIW-Studie des SPIEGEL
  5. Quellenorientierte Ausgabensteuerung für mehr Transparenz

Wir stellten wieder einmal fest, daß eigentlich schon (fast) alles bekannt war zu diesem Thema, denn in unserem Wahlprogramm vom letzten Herbst finden sich viele gute Ansätze wieder, die überhaupt keinen Niederschlag in der Agenda 2010 des Bundeskanzler erhalten haben, so daß unsere Hauptforderung bleibt, sich darauf zu besinnen und gegebenenfalls detailliertere Angaben zu machen. Der Eindruck, daß sich grundsätzlich eigentlich nichts Neues entwickeln lassen müßte, bestätigte sich, als wir in Münster mit neun mehr oder eher weniger verschiedenen Papieren konfrontiert wurden.

Als weitere Vorgehensweise auf dem Weg zur Sonder-BDK wurde dort eine AG gebildet, die nun innerhalb von 14 Tagen einen Antrag formulieren wollte und dafür um Unterstützung durch Interessierte bat. Außerdem solle eine Zeitung erstellt werden, für die noch Beiträge und Unterstützter gesucht wurden und die bei den kommenden LDKs und beim Sozialpolitischen Kongreß in Düsseldorf am 24./25.05 verteilt werden soll. In den Mittelpunkt der Antragsarbeit wurde ein Papier gestellt, daß neun Hauptforderungen enthält und konsensfähig unter den immerhin 70 Teilnehmern aus 40 Kreisverbänden war. Darin ist zumindest unsere Forderung nach gerechter Einkommensbesteuerung enthalten, bekanntlich eine Position aus dem Wahlprogramm. Sie ist deswegen besonders brisant, weil bei den aktuellen Planungen der Regierung Vermögen und höhere Einkommen nicht herangezogen werden, was aber für soziale Gerechtigkeit unerläßlich ist, wenn man nicht in den Verdacht geraten will, Sozialstaat abzubauen statt umzubauen.

Wir von unserer AG trafen uns im kleineren Kreis ein paar Tage später wieder, und es wurde uns klar, daß man erstmal abwarten wollte, wie dieser Leitantrag der sozialpolitischen AG aussehen würde, der parallel zum Antrag des Bundesvorstands am 17.05. veröffentlicht werden soll, um sich dann eventuell mit Ergänzungen zu beteiligen. Problematisch wurde erlebt, daß so viele detaillierte Gedanken in den Vorschlag aufgenommen wurden. Immerhin muß man aber wirklich "doppelstrategisch" fahren, denn einerseits gilt es sich mit den geplanten Veränderungen konkret auseinanderzusetzen, d.h. alternative Lösungen anzubieten; anderseits ist aber ein grundsätzliches Gegenmodell genauso wichtig, um glaubwürdig als Grüne zu sein, wenn es uns ernst ist mit der erwähnten sozialen Gerechtigkeit.

In den strategischen Beratungen zu unserer LDK am 23.05. und S-BDK wird es darum gehen, ob man sich mit zusätzlichen Änderungen einbringt oder grundsätzlich den bereits vorhanden Antrag unterstützt. Wichtig ist insgesamt, daß ein starker Antrag entsteht, der gegen den Antrag des BV bestehen kann. Für uns ergibt sich die Frage nach eigenen Ideen einer neuen Konzeption von Staatsfinanzierung, wie wir sie schon anfänglich bearbeitet haben. Eventuell kann es sinnvoll sein, hierzu eine Vorlage zu entwickeln, die wir z.B. per Vorstandsbeschluß als Ergänzungsantrag bei der BDK einreichen, falls die Zeit für ein entsprechenden Papier zur LDK nicht mehr ausreicht. Für eine Legitimation durch die Basis gäbe es allerdings nur Gelegenheit in Gestalt einer außerordentlichen MV, worüber alsbald entschieden werden müßte.

Auch mit Blick auf die Gesundheitsreform ist hier schon mitzudenken, da diese Diskussion uns im direkten Anschluß erwartet. Daher werden wir uns eingehender mit der DIW-Studie befassen, dazu eventuell auch mal einen Fachmann anhören.

Interessant wird auch sein, was Teilnehmer des genannten Kongresses in Düsseldorf berichten werden, wenn einzelne aus unserer AG dort waren.

Bei einem Gespräch, was unsere Ratsfraktion mit den örtlichen Beschäftigungsträgern von Bildungsmaßnahmen anberaumt hatte, wurde wieder besonders klar, wie prekär die Lage wirklich ist. Von ca. 800 Jugendbildungsmaßnahmen sind bereits die Hälfte weggefallen, noch ehe das eigentliche Gesetz das Licht der Welt erblickt hat. Langzeitförderungen im prestigeträchtigen dortmund-project fallen weg, Zielgruppenförderung wird konterkariert, weil das Arbeitsamt den Bildungsträgern deren Konzepte erst wegnimmt, beim eigenen Anbieten dann aber gar nicht mehr auf die entsprechende Verwendung achtet. Daß gerade in unserer Stadt, die so von der Zuwanderung lebt, Migranntinnenförderung massiv zurückgeschraubt wird, ist leider nur eine unter vielen dramatischen Entwicklungen, die wir nicht dulden dürfen. Einzig das künftige Jobcenter könnte noch ein Ort sein, wo sich Kommunen nicht über den Tisch ziehen lassen, dafür muß aber noch hart gekämpft werden. Hierzu soll es auch eine Arbeitsmarktkonferenz des Oberbürgermeisters geben. Klar ist: das soziale Pulverfaß, auf dem wir ohnehin schon lange sitzen, wird nur noch mehr in Richtung "Lager"-feuer geschoben, es ist ebenso klar, daß es hochgehen wird. Wie können wir das bloß verhindern? Darüber müssen wir beraten und auch entsprechend handeln. Das geht eben in der eigenen Stadt los. Die ganze Geschichte mit der Drogenberatungsinitiative RELAX ist ein schlimmes Beispiel verfehlter Haushaltspolitik und ich mag nicht glauben, daß es dagegen keine Mittel gibt. Hier weiß aber sicher die Ratsfraktion Näheres. Mir stellt sich die Frage, ob wir in der nächsten Zeit massiv Kontakt zu den betroffenen Stellen dieser und anderer sozialer Einsparungen (auch über die Agenda2010 hinaus) pflegen sollten, um wenigstens ein bißchen Öffentlichkeit zu schaffen, wenn man sonst nichts bewirken kann. Da böte sich wieder eine Zusammenarbeit mit der Fraktion an, die ja auch angekündigt hat, sie will sich kommunal-überregional vernetzen.

Es bleibt vielleicht (nicht) hart(z), aber hoffentlich herzlich...

Dieser Bericht fasst meine persönlichen Eindrücke zusammen und erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und kann daher gerne ergänzt werden.