Gedanken zur Arbeitsmarktreform

Von Lothar Teufel

aus: Basisdienst - Informationen aus dem Kreisverband Dortmund 1/2003, 20. Januar 2003

Leider tritt nun die Situation ein, die es zusätzlich erschwert, grüne Ideen an der Basis dem außenstehenden (Wahl)-Volk zu vermitteln. Ich persönlich bin sehr enttäuscht, dass mit dem Hartz-Papier zu Mitteln gegriffen wird, die an den derzeitigen Zuständen absolut nichts ändern. Selbst unser MdB konnte nichts über einen positiven Verlauf der Maßnahmen aussagen. Wichtige Fragen wurden nicht gestellt oder einfach nicht beantwortet: Wie viele Dauerarbeitsplätze sollen entstehen? Welcher Zeitraum ist angedacht? Wie soll der wirtschaftliche Aufschwung stattfinden und auf welcher Basis? Wer überprüft die Wirksamkeit der Maßnahmen und wann?

Diese operative Hektik ist angesichts der Probleme kaum nachvollziehbar. Die beschlossenen Maßnahmen sind Stückwerk, das der Lösung der eigentlichen Probleme in keiner Weise gerecht wird. Wer kennt die Zahlen der Ich-AGs? Wer kennt die Sorgen und (finanziellen) Nöte der Existenzgründer aus Existenzangst? Der Staat zieht sich aus seiner sozialen Verantwortung zurück und überlässt das Lösen der dringendsten gesellschaftlichen Probleme den Schwächsten der Schwachen, obwohl gerade das die Fürsorgepflicht des Staates ist. Wir brauchen eine verstärkte Binnennachfrage, doch immer mehr Haushalte verbrauchen ihr Einkommen zur Existenzsicherung.

Da bleibt nichts übrig für konjunkturbelebenden Konsum, im Gegenteil. Die Einkommenssituation wird sich für große Teile der Bevölkerung weiter verschärfen, denn es kommen weitere Belastungen (Stichwort Gesundheitsreform) auf sie zu.

Die Frage ist nunmehr: Wer ist kompetent, die Probleme zu lösen? In unserer Partei sehe ich in der Führungsriege niemanden, die öffentlichen Aussagen unserer Parteispitze zeigen mir eher das Gegenteil. Schlimm ist, dass diejenigen, die sich für unsere Partei öffentlich erklären sollten, den Anschein vermitteln, von den Dingen nichts zu verstehen. Noch schlimmer ist allerdings, dass diese Ahnungslosen es tatsächlich tun.

Warum wählen wir ständig neue Abgeordnete in den Bundestag, wenn diese sofort auf die Fraktionslinie gebracht werden? Wie sollen Neuerungen und positive Veränderungen eintreten, wenn keiner sich dazu berufen fühlt oder jeder neue Impuls den Sachzwängen geopfert wird? Inhaltlich sind die Maßnahmen zur Genüge diskutiert worden, dabei kam auch der Standpunkt unseres KV mehr als deutlich zur Sprache. Die Sonder-BDK in Cottbus hat jedoch gezeigt, dass Opportunität vor Sachargumenten steht. Anders kann der Ausgang dieser BDK nicht gewertet werden.

Es stimmt wirklich bedenklich, wenn nach jeder Abstimmung ein Wust von Erklärungen der Parteispitze und Abgeordneten folgt, um sich für ihr Abstimmungsverhalten zu rechtfertigen.

Es muss unseren Abgeordneten in Berlin klar sein, dass sich Entscheidungen in der Sozialpolitik bis in die kleinste Organisationseinheit des Staates auswirken. Wir als Kreisverband sollten das Stimmungsbild der Basis und der Bevölkerung vor Ort aufgreifen, die Auswirkungen beschreiben und die Erkenntnisse nach Berlin zu melden. Im Arbeitskreis "Arbeit und Soziales" setzen wir uns mit dieser Thematik konstruktiv auseinander. Wir schauen von hier aus auch gern Modelle in anderen Ländern an; wie wurden gleichartige Probleme gelöst? Wieso ist es der Schweiz gelungen, ein relativ stabiles, weil wenig konjunkturanfälliges Rentensystem zu installieren? Wie haben es die Niederlande geschafft, ihren Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass nun Gastarbeiter aus Deutschland benötigt werden (vielleicht erinnern sich die Holländer an ihren prominenten Gastarbeiter bei uns und machen sich nach dem Samstagsspiel schon mal über seine weitere Verwendung Gedanken)? Diese Länder haben die Lösungen für die Probleme großflächiger gelöst. In der Schweiz setzte sich sehr schnell der Gedanke durch, dass die gesetzliche Absicherung für das Alter keineswegs nur die Sache abhängig Beschäftigter in der freien Wirtschaft ist. Also müssen jetzt alle einzahlen, ob Arbeiter oder Firmenchef, obwohl die Höhe der monatlichen Rentenzahlung aus der staatlichen Rente gedeckelt ist. Und weil man gerade dabei war, wurde per Volksentscheid das Berufsbeamtentum abgeschafft. Das deutsche Privileg der Beitragsbemessungsgrenze suchen wir hier vergebens.

Es kann nicht sein, dass der Basis vorgeschrieben wird, zu welchen Themen wir Stellung beziehen dürfen. Ein kleiner Nachhilfekurs in Sachen parlamentarische Demokratie scheint mir da mehr als notwendig.

Es ist nun an der Zeit, dass sich die Partei Bündnis90/Die Grünen ändert, sich an ihr eigenes Parteiprogramm erinnert und für die Umsetzung dieser Inhalte eintritt. Wir sollten im KV endlich damit anfangen, den eingeschlagenen Weg konsequent weiter zu gehen.