Pläne zur Lieferung der MOX-Brennelementefabrik nach China

Offener Brief des Kreisverbands Dortmund an Joschka Fischer und Jürgen Trittin, 7. Dezember 2003

An

Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Joschka Fischer - persönlich -
Minister für Umwelt und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland Herrn Jürgen Trittin - persönlich -
sowie zur Kenntnis an den Bundesvorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrter Herr Außenminister, lieber Joschka Fischer
Sehr geehrter Herr Umweltminister, lieber Jürgen Trittin

Uns UnterzeichnerInnen - Mitglieder der bündnisGRÜNEN Partei Deutschland - alarmieren die Pläne zum Export der Hanauer Anlage inkl. der MOX-Technologie nach China. Sie alarmieren uns in dem Umfeld der gleichzeitig durch Bundeskanzler Schroeder angestrebten Lockerung bzw. Aufhebung des Waffenexportverbotes gegen die Volksrepublik China und der angedachten Hermesbürgschaft für ein weiteres Atomgeschäft mit Finnland.

Die Verhinderung der Inbetriebnahme der MOX-Fabrik in Hanau, welche Du, Joschka, damals durchgesetzt hast, hatte gute Gründe (Gefährlichkeit der Prozesse, mangelnder Schutz gegen Anschläge, nicht durchführbare Kontrolle über den Plutoniumkreislauf, Gefahr der weiteren Verbreitung). Jedoch diese Argumente gelten standortunabhängig, also auch (und vielleicht erst recht) für den Betrieb in China.

Wir sehen folgende Gründe, aus denen es einen Export nach China (und anderswo) unbedingt zu verhindern gilt:

  • Es ist unter Fachleute unumstritten, dass mithilfe dieser Technik (nicht der Anlage selbst) waffenfähiges Plutonium hergestellt werden kann (s.a. BMU-Informationen zum Export der Hanauer Anlage nach China: "Sensibel an den Brennelementen dieses Typs ist, dass sie eine Plutonium-Anreicherung von 30% haben. Bei dem Einsatz dieser Brennelemente im Schnellen Brüter entsteht weiteres Plutonium, das dann auch waffentauglich ist".)
  • Nicht das in diesem Fall eventuell "stumpfe" Atomrecht, sondern das Außenwirtschaftsgesetz ist maßgebend: "Wenn der beabsichtigte Export zu einer Störung des "friedlichen Zusammenlebens der Völker" führt, kann ein Export versagt werden". Dies trifft in Anbetracht der Bedrohung Taiwans durch die Volksrepublik China eindeutig zu.
  • Die Volksrepublik China trennt als undemokratische "Volks"-Wirtschaft nicht zwischen der zivilen und der militärischen Nutzung der Atomanlagen.

Eine Zusage der chinesischen Regierung zur ausschließlich friedlichen Nutzung sehen wir bei einem Diktatorischen Unrechtsregime, das nach wie vor die eigenen Bürger massiv unterdrückt, Nachbarn mit Krieg bedroht und mit Tibet seit Jahrzehnten ein Nachbarland zu unrecht besetzt hält, als NICHT AUSREICHEND an.

Selbst gegen eine Nutzung ausschließlich zur sog. "friedlichen" Energiegewinnung gibt es genügend Argumente:

  • Die Gefahr einer Kernschmelze mit MOX-Elementen durch den Selbstzerfall des Plutoniums ist höher als beim Betrieb mit Uranbrennelementen. Der Einsatz von MOX-Brennelementen in Atomkraftwerken dazu führt, dass der Betrieb labiler wird. Die hessische Regierung lehnte daher einst den Einsatz von MOX-Brennelementen in Atomkraftwerken ab.
  • Auch liefert die Fabrik eben NICHT einen "sinnvollen Beitrag zur Beseitigung von Plutonium" (Argument Siemens). Die Argumentation, man könne mit plutoniumhaltigen MOX-Brennelementen Atomwaffenmaterial schnell unschädlich machen, ist heute genau so falsch wie vor wenigen Jahren, als der Export dieser Fabrik nach Russland geplant war"
  • Die in den Jahren 1982 - 1984 konzipierte Fabrik ist längst nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Technik. Die in dem dennoch angestrebte Export zum Ausdruck gebrachte Haltung, deutsche Technik von vor 30 Jahren sei für China ausreichend, kann gerade in der Atomtechnik verheerend auf uns zurückfallen. Dass eventuell drohende Katastrophen nicht an Landes- oder Erdteilgrenzen halt machen, wissen wir spätestens seit Tschernobyl!

Wir sehen in der Unterstützung dieses Siemens-Exportgeschäftes durch Kanzler Schröder eine massive Belastung der rot-GRÜNEN Zusammenarbeit und einen schweren Vertrauensbruch bzgl. des gemeinsam und einvernehmlich erarbeiteten Atomausstiegsgesetz.

Wir bitten Euch daher dringend,

  • schnellstens zu klären, ob und inwieweit die Aufarbeitung deutschen /europäischen Plutoniums in der Anlage geplant oder bereits vereinbart ist; bzw. inwieweit der weitere Export deutscher/europäischer Brütertechnologie und Wiederaufarbeitungstechnologie vorgesehen ist und dann
  • ein Koalitionsgespräch mit der SPD und Kanzler Schröder in die Wege zu leiten, mit dem Ziel den Export zu unterbinden;
  • in diesem Gespräch auch die eindeutige Haltung der GRÜNEN Regierungsmitglieder wie der GRÜNEN Partei GEGEN eine Lockerung des EU-Waffen-Embargos zu verdeutlichen und die Exportgenehmigung für die Hanauer Anlagen zu verweigern;
  • bei allen nötigen Gesprächen und Verhandlungen die GRÜNE, also unsere eigene Aufrichtigkeit vor Augen zu haben. Ein "deutscher" Atomausstieg, während dessen der Export mit Unterstützung durch die deutsche Politik - ja gerade durch die Parteien des Ausstiegs - weiterläuft, ja sogar gefördert wird, wäre das Gegenteil des von uns allen angestrebten Ausstiegs und das Ende unserer internationalen Glaubwürdigkeit zumindest im Punkt "Atompolitik".

Letztlich bitten wir Euch beide als die Minister an den entscheidenden Schaltstellen, die Gelegenheit zu nutzen und eine Initiative zum EXPORT DEUTSCHER ALTERNATIVER ENERGIE NACH CHINA in die Wege zu leiten. Die berechtigte Sorge um das Weltklima und das Abbremsen des drohenden CO2-Anstieges durch den größer werdenden Energiebedarf Chinas lässt sich wirkungsvoll mit dem Export ausgereifter und sicherer Techniken wie Windenergie, Biogasanlagen, moderner Block-Gaskraftwerke und thermischer wie photovoltaischer Solartechnik in Griff bekommen. Aufgrund der überwiegend ländlichen Strukturen des Flächenstaates China macht zudem eine dezentrale Energieversorgung mehr Sinn als eine zentralistische Versorgung mittels AKWs. Mit dem Export alternativer Energietechnologien werden sowohl in Deutschland wie in China sichere und zukunftsträchtige Arbeitsplätze geschaffen, China könnte zudem mit deutscher Unterstützung selbst zum Marktführer dieser Technologien auf dem asiatischen Kontinent aufsteigen.

mit GRÜNEN Grüßen

Karl-W. Koch, Sprecher KV Daun
Hartwig Berger, Sprecher BAG Energie
Rasmus Andresen, Sprecher KV Flensburg
Matthias Dudde, Sprecher KV Dortmund