"Dem Hass entgegentreten"

Manuskript der Rede von Matthias Dudde auf der Demonstration des Initiativkreis Wehrmachtsausstellung, 20. September 2003

Liebe Freundinnen und Freunde,

warum stehen wir heute hier? Wir stehen hier, weil die Neonazis gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" mobilisiert haben. Wir stehen hier, weil wir das krude Gedankengut derjenigen, die sich selbst in die Tradition des deutschen Faschismus stellen, nicht akzeptieren wollen.

Matthias DuddeDie Beteiligung der Wehrmacht an Kriegsverbrechen ist seit langem wissenschaftlich dokumentiert. Das Wissen um diese Verbrechen der Wehrmacht war damals auch unter den Soldaten und in der Gesellschaft weit verbreitet, wie schriftliche Berichte und Zeitzeugen belegen. So schrieb beispielsweise der katholische CDU-Politiker Konrad Adenauer einem katholischen Geistlichen Anfang 1946, dass "zum Teil auch unsere Truppen in Polen und Russland mit beispiellosen Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung vorgingen. [...] Die Geiselmorde in Frankreich wurden von uns offiziell bekannt gegeben. Man kann also wirklich nicht behaupten, dass die Öffentlichkeit nicht gewusst habe, dass die nationalsozialistische Regierung und die Heeresleitung ständig aus Grundsatz gegen das Naturrecht, gegen die Haager Konvention und gegen die einfachsten Gebote der Menschlichkeit verstießen." *

Ein halbes Jahrhundert musste vergehen, bis diese Beobachtungen und Erkenntnisse über die Verbrechen der Wehrmacht endlich - zwar hochemotional - aber ausführlich in der Öffentlichkeit diskutiert werden konnten. Der Mythos der "sauberen Wehrmacht" ist seitdem nicht mehr haltbar. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann sich aber nicht nur mit Erinnerung zufrieden geben.

In einem Rechtsstaat müssen Verbrechen aufgeklärt und die Täter vor Gericht gestellt werden. Aber: Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter. Und die Versäumnisse bei der Verfolgung der Verbrecher sind eklatant - besonders bei der Zentralstelle für nationalsozialistische Massenverbrechen, die hier in Dortmund bei der Staatsanwaltschaft angegliedert ist. Deren Untätigkeit und Verschleppungstaktik wurde schon in den 1990er Jahren von der Landtagsfraktion der GRÜNEN öffentlich gemacht. Noch heute gibt es Täter, die wegen fehlender Anklage nicht vor Gericht stehen, wie heute Vormittag die Demonstration der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes und des Bündnis Dortmund gegen Rechts gemahnt hat.

"Dem Hass entgegentreten" heißt, Rassismus und Antisemitismus zu ächten. Die Gewalt gegen alles "Fremde" ist ein Anschlag auf die Menschenwürde und die Demokratie. "Entgegentreten" heißt daher auch sich für den Schutz von Minderheiten, für Toleranz und für ein demokratisches Miteinander einzusetzen. Und so treten wir heute ein weiteres Mal den Nazi-Ideologien entgegen und dokumentieren damit, dass Dortmund eine demokratische und weltoffene Stadt ist.