"Die GRÜNEN werden 25 ..."

Manuskript der Begrüßungsrede von Kreisverbandssprecherin Hilke Schwingeler auf der Landesdelegiertenkonferenz in Dortmund, 27. November 2004

Liebe Delegierte, liebe Gäste,

herzlich willkommen in Dortmund.

Die GRÜNEN werden 25, das kann ganz schön alt sein, aber auch noch herrlich jung. Wollten wir dorthin, wo wir heute sind, oder sind wir dort angekommen, wo wir niemals hin wollten?

Die Hochzeiten der Kollektive, der Spontigruppen, der Initiativen, aus denen wir kommen, sind scheinbar vorbei, beinahe auch die Zeiten der Realos und Fundis...

Die Revoluzzer von 68 sind heute Außenminister - wenn das keine Karriere, kein Ankommen in der Gesellschaft ist, was dann?

Auch wir GRÜNEN in Dortmund sind in der Bundes- und Landesrealität angekommen, auch wir haben nach der letzten Kommunalwahl - sicherlich zur Freunde vieler im Lande / auch in der Stadt, das, was man rotGRÜNE Koalition nennt. In unseren Bezirksvertretungen war keine Bezirksvorsteherwahl ohne GRÜNE möglich. GRÜNE von den Bezirksvertretungen bis zum Bund in der Regierungsverantwortung - wer hätte das vor 25 Jahren gedacht, als wir noch diskutierten, ob Gremienpolitik überhaupt sinnvoll ist.

Heute stellen uns nicht mehr die Frage, ob wir regieren wollen, sondern wir wollen dafür kämpfen, dass die Wählerinnen und Wähler uns als GRÜNE wieder in die Regierung wählen.

Was heißt das für eine Partei, die vor 25 Jahren alles anders machen wollte als die Altparteien, deren Leitprinzipien u.a. Basisdemokratie, aber auch Freude an der Politik sein sollten?
Sind wir da angekommen, dass wir uns als Regierungspartei definieren, oder sind wir eine Partei, die mitregiert?

Haben wir noch einen Meinungsbildungsprozess von unten nach oben, oder passen wir unser Parteiprogramm den scheinbaren Regierungsnotwendigkeiten an?

Oder ändern wir gar unser Parteiprogramm, weil wir Amt und Mandat miteinander verknüpfen wollen?

Auf welchen Ebenen sind Berufspolitiker/-innen unabdingbar? Selbst bei uns in Dortmund gibt es auf kommunaler Ebene erste Begehrlichkeiten nach bezahlter Politik.

Ohne Frage aber steht fest, dass Opposition einfach ist, mitregieren und GRÜNES Profil zu wahren, ist dagegen viel schwieriger.

Müssen wir, wenn wir mitregieren, gleich auf welcher Ebene, nicht die Rolle von Partei und Fraktionen neu oder genauer definieren, um unser GRÜNES Profil zu wahren? Um Wählerinnen und Wählern weiter und wieder deutlich zu sagen zu können, wofür wir stehen und was mit uns nicht machbar ist?

Was spricht dagegen - im Sinne erfolgreicher und zukunftorientierter Politik - wenn sich die Partei ausdrücklich den Luxus programmatischer Visionen leistet und die Mandatsträger auf der Basis dieser Visionen in der Regierung nach umsetzbaren Kompromissen suchen, die selbstverständlich nicht mit einem lang diskutieren, klug gedachten und von der Basis abgestimmten und getragenen Programm 1 : 1 übereinstimmen können.

Wir an der Basis wollen und müssen sicher sein, dass die GRÜNEN Politiker/-innen alles tun, um den erklärten politischen Willen der Partei durchzusetzen. Und wir alle an der Basis müssen akzeptieren, dass das nicht 1:1 möglich ist. Wir wollen und müssen auch auf der Straße diese Visionen und Kompromisse vertreten. Wir wollen aber nicht unsere GRÜNE Seele verkaufen.

So gesehen und im Interesse unseres GRÜNEN Profils war die Trennung von Amt und Mandat immer eine Chance für die Politikvermittlung nach innen und außen. Der Grüne Alltag sieht anders aus. Die Medien verstehen in der Regel die Fraktion als Partei, die Fraktion spielt gerne mit.

Manchmal erscheinen wir an der Basis als diejenigen, die nur noch nicht so recht begriffen haben, dass das politische Leben nicht visionär und leicht naiv an Idealen orientiert ist, sondern an der momentanen Machbarkeit. Und wenn wir dann doch uns den Realitäten stellen, sind wir gleich wie alle anderen, die für die Teilhabe an Macht ihre Wurzeln vergessen. Für uns gelten eben doch noch andere Maßstäbe.

Wie wäre es, wenn Mandatsträger/-innen von sich aus bei Fragen nach programmatischen Angelegenheiten auch auf die Vertreter/-innen der Partei verweisen? Wäre diese Arbeitsteilung nicht allein schon deshalb notwendig, weil nur so die Mandatsträger/-innen in ihren Gremien kompromissfähig blieben und damit auch regierungsfähig sind? Was spricht dagegen, dass die Partei bei dieser Arbeitsteilung kompromisslos GRÜNES Profil zeigen und schärfen kann?

Als Parteisprecherin in Dortmund kann ich sagen: "Wir wollen 3Do nicht", Daniela Schneckenburger aber als Fraktionsprecherin muss sagen: "Es gibt bestehende Verträge, die wir als GRÜNE-Ratsfraktion unter den gegebenen Umständen akzeptieren".

So ist es zwischen Partei und Fraktion - und in diesem schwierigen Spagat haben beide Recht. Leisten wir uns kluge Visionen und Grundüberzeugungen, aber auch kluge Kompromisse, leisten wir uns Transparenz und Konsequenz und leisten wir uns auch weiter den Meinungsbildungsprozess von unten nach oben - dann wird es uns gelingen, auch in Zukunft die Kraft zu erhalten, die uns seit 25 Jahren hat wachsen lassen und die die Politik in unserem Land verändert hat.

Wünschen wir uns zum Geburtstag, dass wir es auch weiter schaffen, nur solche Mandatsträger/-innen zu wählen, die sich verpflichten, an der Basis mitzuarbeiten, um den inhaltlichen Kontext zu halten und Visionen mitzutragen und weiterzuentwickeln.

Wünschen wir uns eine Basis, die auch weiter durch konstruktive Kritik und zukunftsweisende Visionen unsere Mandatsträger/-innen trägt. Wir in Dortmund wollen unseren Teil gerne leisten.

Und wünschen wir uns für heute Abend eine Geburtstagsfeier, die zeigt, dass GRÜNE nicht nur diskutieren, sondern auch gemeinsam feiern können.

Das wär' doch mal was!

In diesem Sinne eine gute Vierteljahrhundert-LDK! Danke, liebe Freundinnen und Freunde.