Neonazis missbrauchen Antikriegstag

Antisemitische Allianzen am rechten Rand

Flugblatt zum Neonazi-Aufmarsch am 2. September 2006

Heute, am 2. September 2006, ziehen in Dortmund und Berlin wieder einmal Neonazis durch die Wohngebiete. Unter dem Motto "Antikriegstag 2006 - Gegen imperialistische Kriegstreiberei und Aggressionskriege" versuchen sie den Eindruck zu erwecken, für Frieden einzutreten.

Andernorts treten dieselben Neonazis, die heute den "Antikriegstag" für ihre Ziele missbrauchen, gar nicht friedliebend auf:

Gar nicht friedlich war das Auftreten der vermutlich aus Dortmund und Umgebung stammenden Neonazis am 28.4.2006. Vermummt überfielen sie in der Brückstraße die Kneipe "Hirsch-Q", die aufgrund eines dort stattfindenden Konzertes gut besucht war. Einige traten und schlugen mit Stöcken Scheiben ein, andere warfen Ziegelsteine gegen die Scheiben. Eine Person wurde von einem Ziegelstein im Gesicht getroffen und schwer verletzt. Dann griffen sie mit Schlägen und Tritten die Personen an, die sich im Eingangsbereich aufhielten und sprühten anschließend Reizgas in den Raum.

Gar nicht friedensbewegt zeigten sich Neonazis bei ihrer Kundgebung in Essen vom 23.8.2006. "Kein Friede mit den Freunden Israels" lautete das Motto. Dabei betonten sie ihre Solidarität mit dem Iran, dessen Staatspräsident Ahmadinejad von ihnen geradezu verehrt wird, seit er gedroht hatte, Israel "von der Weltkarte zu tilgen".

Nicht friedensbewegt, sondern kriegsverherrlichend werden sich Neonazis zeigen, wenn sie am 18.11.2006 auf dem Vorplatz des Soldatenfriedhofs in Halbe die Gefallenen der Wehrmacht und Waffen-SS ehren unter dem Motto: "Die Vergangenheit strömt in Hundert Wellen in uns fort". Insbesondere die Verherrlichung der Waffen-SS, einer NS-Elitetruppe, die an Kriegsverbrechen, am Vernichtungsfeldzug und am Holocaust beteiligt war, zeigt die wahre Gesinnung der heute in Dortmund und Berlin aufmarschierenden Neonazis.

Auch die Dortmunder Polizeibehörde scheint nicht unbedingt eine Friedenbotschaft von diesem Neonazi-Aufmarsch zu erwarten, hat sie ihnen doch vorsorglich u.a. verboten, für die "Miliz des Islamischen Widerstands" ("al-Muqawama al-islamiya") zu werben und Parolen wie "Tod Israel" und "Tod (den) Israelis" zu rufen.

So entpuppt sich die geheuchelte Friedensbotschaft der Neonazis bei genauem Hinsehen als antidemokratische und antisemitische Botschaft, als Propaganda für ein totalitäres und menschenverachtendes Staatsideal. Tatsächlich pflegen Neonazis eine militaristische und grundsätzlich kriegsbejahende Tradition. Dass die heutigen Nazis dies unter Missbrauch des Gedenktages an den Beginn des Zweiten Weltkrieges tun, ist eine ungeheure Provokation.

Antisemitische Allianzen am rechten Rand

Bereits vor einem Jahr zeigte sich hinter der Anti-Kriegs-Heuchelei der in Dortmund aufmarschierten Neonazis die wahre Botschaft: Demonstriert wurde gegen den Irak-Krieg. Nicht etwa aus Pazifismus, sondern weil hier ein System angegriffen wurde, mit dem Neonazis mehr als nur sympathisieren.

Thomas Brehl, Mitbegründer des neofaschistischen "Kampfbundes deutscher Sozialisten (KDS)" im vergangenen Jahr gegenüber "frontal 21": "Der Irak ist für uns von besonderer Bedeutung, weil mit Saddam Hussein an der Spitze des Irak ein Mensch steht, der uns schon in einigem an unseren Führer Adolf Hitler erinnert, der dieser gewaltigen Übermacht Amerikas trotzt, der nicht bereit ist, in die Knie zu gehen." Und Axel Reitz (heute nicht in Dortmund, sondern in der JVA Remscheid), ergänzte damals: "Deswegen ist Saddam Hussein für uns groß und bewundernswert, weil er es geschafft hat, wie unser Führer Adolf Hitler, sein Volk hinter sich zu bringen, und das Volk steht hinter ihm. Er hat den Irak zu einer der orientalischen Art und Mentalität entsprechenden orientalischen Variante des nationalsozialistischen Volksstaates gemacht." (Blick nach rechts)

Unverhohlene Sympathie bekunden deutsche Neonazis seit Monaten zum Iran, insbesondere zum iranischen Staatspräsident Mahmoud Ahmadinejad und seiner Äußerung, Israel von der Landkarte zu tilgen. "Der sagt Dinge, die sie gerne laut herausschreien würden: Ahmadinedschad bezweifelt öffentlich den millionenfachen Mord der Nationalsozialisten an den Juden. Und er droht Israel. Beide, die deutschen Neonazis und den iranischen Staatschef, eint der Hass auf Israel und die Juden." (FR 14.6.2006) Eine Rede Mahmoud Ahmadinejads ist auf Nazi-Internetseiten als Video eingestellt, während der Fußball-WM wurde zur Unterstützung der iranischen Nationalmannschaft aufgerufen. Thomas Brehl schrieb im Namen des neonazistischen KDS am 1.7.2006 an die iranische Botschaft, der KDS betrachte "seine Excellenz, Ihren Herrn Staatspräsidenten als Freund des deutschen Volkes". Die NPD verlinkt auf ihrer Homepage die Internetseite der deutschsprachigen Ausgabe des "Islamic Republic of Iran Broadcasting Worldservice".

Seit einigen Jahren bestehen offensichtlich Kontakte zwischen Rechtsextremisten und der in Deutschland verbotenen islamistischen Vereinigung "Hizb ut-Tahir". BKA-Ermittler schließen im Fall der Kofferbombenattentate laut tagesschau.de eine mögliche Verwicklung von Hisb ut-Tahrir nicht aus. NPD-Chef Udo Voigt soll im Oktober 2002 eine Rede auf einer Veranstaltung der Hisb ut-Tahrir in Berlin gehalten haben. (NDR, tagesschau.de)

tagesschau.de weiter: "So interviewte der NPD-Funktionär Holger Apfel im Februar 2003 im NPD-Organ "Deutsche Stimme" den führenden Repräsentanten der Hisb ut-Tahrir, Shaker Assem. Unter der Überschrift "Palästina von Zionisten befreien!" schreibt Apfel in der Einleitung, das Verbot der Hisb ut-Tahrir sei "ein politisches Bauernopfer sowie ein Ergebenheitsgruß an die USA und Israel". Und am 16. Februar 2003 führte die Jugendorganisation der NPD "Junge Nationaldemokraten" (JN) in Duisburg eine Veranstaltung unter dem Motto "Kein Blut für Öl - Nein zum Krieg" durch. Redner waren der Rechtsextremist Horst Mahler, der thüringische NPD-Chef Frank Schwerdt sowie Shaker Assem." (tagesschau.de)

Auf ihrer Internetseite verurteilte die NPD am 24.8.2006 noch einmal das Verbot dieser Vereinigung, die "in Europa nicht terroristisch aktiv" sei."

All dies muss auf dem Hintergrund einer jahrelangen ideologischen Allianz zwischen terroristischen Islamisten und Neonazis betrachtet werden. Schon 1995 feierte die in Berlin erscheinende nationalistisch-antisemitische Zeitschrift "Sleipnir" islamistische Terroristen als "Helden". Der "Heilige Krieg" wurde bejubelt, er sei heute "Pflicht". Das Neonazi-Netzwerk "Aktionsbüro Norddeutschland" äußerte sich erfreut über die Terrorakte des 11. September 2001.

Die bundesweite Mobilisierung der Dortmunder Kameradschaft für den Aufmarsch am heutigen 2.9.2006 schloss in diesem Jahr auch das Bemühen um Unterstützung bei islamistischen Gruppen ein. In einem Schreiben an die islamistische Internet-Plattform "Muslim-Markt" versicherte der in Dorstfeld wohnende und offensichtlich für die örtliche Durchführung der Dortmunder Nazi-Demo verantwortliche Dennis Giemsch den Islamisten, er lese "mit Freude regelmäßig ihre Internetseite", und bat um "jede Beteiligung" in Form von Teilnehmern und Rednern. Die erst zugesagte Unterstützung wurde allerdings später wieder zurückgenommen, als aufmerksame Mitglieder der Islamisten-Organisationen erkannten, dass es sich bei Giemsch um einen führenden Neonazi handelt, dessen Gruppierung "auch Demonstrationen gegen geplante Moscheebauten durchführe und für Deportation von Ausländern eintrete". (redok.de)

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