Sammelanhörungen in der ZAB Dortmund: Antworten der Bundesregierung auf Fragen von Markus Kurth

Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Deutschen Bundestages vom 5. April 2006

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Wir kommen nun zur Frage 26 des Abgeordneten Markus Kurth:

War die Bundesregierung an der Ausstellung von Visa für die Delegation aus Guinea beteiligt?

Bitte, Herr Staatsminister Gloser.

Günter Gloser, Staatsminister im Auswärtigen Amt:

Sehr geehrter Herr Kollege Kurth, die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Conakry hat nach Prüfung der entsprechenden Anträge Visa für vier Mitglieder der in Ihrer durch das Bundesministerium des Innern zu beantwortenden Frage 30 erwähnten Delegation der Republik Guinea erteilt.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Sie haben noch eine Nachfrage, Herr Kurth? - Bitte schön.

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wie bewertet denn dann die Bundesregierung die Aussage des Leiters der Zentralen Ausländerbehörde Dortmund, dass das Auswärtige Amt das gesamte Verfahren von der Einladung bis zur Befragung der abgelehnten Asylbewerber aus Guinea - ich zitiere aus einem Zeitungsartikel - "abgesegnet" habe?

Günter Gloser, Staatsminister im Auswärtigen Amt:

Herr Kollege Kurth, ich weise zuallererst darauf hin, dass die Einladung dieser Delegation durch eine Landesbehörde veranlasst wurde. Die Landesbehörden führen diese ausländerrechtlichen Maßnahmen nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes in eigener Zuständigkeit aus. Die angesprochene Praxis findet nach Auffassung der Bundesregierung ihre Rechtsgrundlage in § 82 Abs. 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes. Danach kann das persönliche Erscheinen eines Ausländers bei den zuständigen Behörden sowie Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, angeordnet werden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es zu den Einzelheiten schon eine Antwort der Bundesregierung vom 4. Januar 2006, Drucksache 16/339, auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck, Irmingard Schewe-Gerigk, Josef Winkler und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen gegeben hat. Dort sind der rechtliche Rahmen und die Zulässigkeit von Sammelvorführungen unter Teilnahme von Vertretungen des betreffenden ausländischen Staates dargelegt.

Im Wesentlichen wurde damals ausgeführt:

Der Begriff "Vertretung" im Sinne des § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist nicht räumlich in Bezug auf Gebäude der diplomatischen Vertretungen, sondern in Bezug auf die handelnden Personen zu verstehen. ... Lediglich aus organisatorischen Gründen finden Sammelanhörungen nicht in den ausländischen Botschaften statt. Auch die Befragung durch andere Bedienstete ist in der Regel dem Aufgaben- und Tätigkeitsbereich der ausländischen diplomatischen bzw. konsularischen Vertretung zuzurechnen, da dieser Personenkreis mit der Durchführung der Befragungen zum Zwecke der Staatsangehörigkeitsfeststellung zur Unterstützung des Botschafts- bzw. Konsulatspersonals ... tätig wird.

Dort heißt es auch:

Im Übrigen sind gesandtschafts- und konsularrechtlich keine Gesichtspunkte erkennbar, dass derartige Befragungen nur durch akkreditierte Diplomaten oder Konsularbeamte durchgeführt werden dürfen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Eine weitere Nachfrage, Herr Kurth. Bitte schön.

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

War das Auswärtige Amt in irgendeiner Weise an der Auswahl der Mitglieder dieser Delegation beteiligt?

(Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt)

Günter Gloser, Staatsminister im Auswärtigen Amt:

Nein, nach meiner Kenntnis war das Auswärtige Amt nicht beteiligt. Die Einladung ist von der jeweils zuständigen Landesstelle ausgesprochen worden.

(...)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Markus Kurth auf:

Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Zentrale Ausländerbehörde Dortmund abgelehnte Asylbewerber einer inoffiziellen Delegation aus Guinea vorführt, um aufgrund einer Inaugenscheinnahme die Identität der abgelehnten Asylbewerber zu klären und so genannte Passersatzpapiere zum Zweck der Abschiebung auszustellen (vergleiche "Welt Kompakt" vom 29. März 2006)?

Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Herr Kollege Kurth, die Frage wurde teilweise bereits von Staatsminister Gloser beantwortet. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass die Zentrale Ausländerbehörde in Dortmund nach bundesgesetzlichen Vorschriften gehandelt hat, und zwar im Rahmen des Aufenthaltsgesetzes. Diese Vorschriften werden nach Art. 83 des Grundgesetzes von den Ländern als eigene Angelegenheiten ausgeführt.

Deshalb kann ich zu Ihrer Frage nur ganz allgemein Folgendes sagen:

Wenn jemand rückgeführt werden soll, hat das zur Voraussetzung, dass die Staatsangehörigkeit festgestellt wird und nachfolgend auch Heimreisedokumente ausgestellt werden. Das wiederum bedingt die Kooperation mit den beteiligten Staaten. Diese Kooperation erfolgt im Einklang mit dem Völkerrecht. Es liegt in der Natur der Sache, dass dem Staat, der die Rückübernahme einer ausreisepflichtigen Person durchführen soll, im Zweifelsfall auch die Möglichkeit eingeräumt wird, sich diese Person vorstellen zu lassen und sie zum Zweck der Verifizierung der Staatsangehörigkeit anzuhören. Das ist Voraussetzung für die Feststellung der Staatsangehörigkeit.

Die Rechtsgrundlage für diese Anhörungen findet sich in § 82 Abs. 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes, wonach das persönliche Erscheinen des Ausländers unter anderem bei den Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, angeordnet werden kann. Es ist völlig unbestritten, dass der Begriff "Vertretung" im Sinne dieser Vorschrift nicht räumlich - in Bezug auf Gebäude der diplomatischen Vertretungen -, sondern in Bezug auf die handelnden Personen zu verstehen ist.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte.

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Gleichwohl werden Sie mir doch darin zustimmen, dass man das Notwendige zum Zweck der Feststellung der Staatsbürgerschaft im Rahmen der Verfahren der Bundesrepublik Deutschland tun sollte, wo auch immer die Vertretung ist. Wie also ist es zu bewerten, wenn der Leiter der Zentralen Ausländerbehörde in Dortmund sagt, wo die Delegation diese Inaugenscheinnahme der Flüchtlinge oder abgelehnten Asylbewerber vornehme, sei ein quasi exterritoriales Gebiet, und wenn er weiterhin erklärt, bei der Befragung gelte das Recht Guineas auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland? Ist es die Auffassung der Bundesregierung - ich frage das, auch wenn die Durchführungszuständigkeit bei den Länderbehörden liegt -, dass dies zulässig ist?

Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Ich kann zu den konkreten Umständen des Vorgehens der Zentralen Ausländerbehörde in Dortmund nur wiederholen, dass die Ausführung des Aufenthaltsgesetzes durch die Länder erfolgt. Insofern verbietet sich eine Kommentierung. Ich bitte auch um Verständnis, dass ich keine Aussagen auf der Basis hypothetischer Annahmen machen kann, die ich von diesem Platz aus nicht überprüfen kann und die auch nicht Gegenstand Ihrer Frage waren.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Haben Sie eine zweite Zusatzfrage?

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Kann die Bundesregierung denn zusichern, dass, nachdem ich Ihnen selbstverständlich Belege für diese Äußerung habe zukommen lassen, sie sich die entsprechende Praxis noch einmal genau anschaut und auch Gespräche mit der Zentralen Ausländerbehörde in Dortmund führt, um den Vorgang zu überprüfen?

Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Die Bundesregierung kann zusichern, dass sie die Unterlagen, die Sie uns übersenden, sorgfältig prüfen wird und dass Sie dann eine entsprechende Antwort von uns erhalten werden.