Luftreinhalteplan für Dortmund

Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Regierungspräsidenten Arnsberg, 26. Januar 2007

An den
Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen
Herrn Dr. Ingo Wolf
Haroldstraße 5
40213 Düsseldorf

 

Sehr geehrter Herr Minister,

im Namen der Dortmunder Kreisverbände des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Verkehrsclubs Deutschland erheben wir

Dienstaufsichtsbeschwerde

gegen den Arnsberger Regierungspräsidenten, Herrn Helmut Diegel.

 

Begründung:

Der Regierungspräsident Helmut Diegel hat in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen.

Die Dienstpflichten eines Regierungspräsidenten bestehen u.a. darin, alle gesetzlichen Pflichtaufgaben seiner Behörde gewissenhaft und unter Beachtung gesetzlicher Fristen zu erledigen.

Die Bezirksregierungen haben nach § 47 Bundesimmissionsschutzgesetz u.a. die Aufgabe, Luftreinhaltepläne und Aktionspläne nach der 22. BImSchVO aufzustellen.

Nach Ermittlungen der EU-Kommission sind in der Europäischen Union jährlich 310.000 vorzeitige Todesfälle durch Feinstäube zu verzeichnen. Auf Dortmund umgerechnet sind dies ca. 400 Tote.

Herr Dr. Krause vom Landesumweltamt führte in einem Vortrag am 11. März 2006 in Dortmund aus, dass "bei langfristig um 7 µg/m3 höherer Feinstaubkonzentrationen das Risiko an Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben um ein Drittel zunimmt. Personen, die im 50 Meter Radius einer Hauptverkehrsstraße wohnen, haben ein um zwei Drittel höheres Risiko an einer Atemwegs- bzw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben als Personen, die mehr als 100 Meter weit entfernt von dieser Straße wohnen."

Die bisher ergriffenen Maßnahmen in den Aktionsplänen Brackeler Straße und Steinstraße (Nassreinigung, Lkw-Durchfahrverbot) haben zu keiner Reduzierung der Feinstaubbelastung an den Messstellen geführt. An der Brackeler Straße wurden sowohl 2005 als auch 2006 die höchsten Feinstaubwerte in Nordrhein-Westfalen (2005: 81 Überschreitungen, 2006: 80 Überschreitungen) gemessen.

Durch die Stadt Dortmund wurden 5 Straßenabschnitte entlang der Achse der Brackeler Straße, Borsigstraße und Bornstraße durch eingeholte Gutachten ermittelt, an denen gesichert von einer Grenzwertüberschreitung ausgegangen werden muss. Darüber hinaus wurden weitere 30 Straßenabschnitte im innerstädtischen Bereich ermittelt, an denen Grenzwertüberschreitungen möglich sind bzw. nicht ausgeschlossen werden können.

Ebenso stellt sich die Stickoxid-(NO2-)Belastung dar. 44 Straßenabschnitte wurden ermittelt, an denen der NO2-Grenzwert zwar zur Zeit noch eingehalten wird, aber ab 2010 eine Überschreitung droht.

Beide Untersuchungen zeigen eine Konzentration der belasteten Straßen innerhalb einer 20 qkm großen Zone, die sich an die Dortmunder Innenstadt anlehnt.

Nach den einschlägigen Vorschriften - und insbesondere wegen der bislang erfolglosen Maßnahmen - wären in Dortmund wegen der beiden Belastungsschwerpunkte an der Brackeler Straße sowie der Steinstraße bis zum 31.12.2006 Luftreinhaltepläne bei der EU einzureichen gewesen.

Tatsächlich hat der Regierungspräsident in Arnsberg bisher noch nicht einmal einen schlüssigen Entwurf ausgelegt. Daher wird weder den gemessenen Grenzwertüberschreitungen Rechnung getragen, geschweige denn der vorgenannten Sachstand aufgegriffen.

Obwohl in einer Vielzahl von Großstädten der Republik Luftreinhaltepläne mit Umweltzonen diskutiert werden, einige Räte schon konkrete Vorschläge der jeweiligen Bezirksregierung schon beraten konnten (z.B. München), obwohl in Köln der Luftreinhalteplan bereits aufgestellt ist, ist bei der Bezirksregierung Arnsberg noch nichts Konkretes passiert.

Erst auf Drängen der Stadt Dortmund teilte der RP Arnsberg mit Schreiben vom 17.1.2007 mit, dass er Anfang Februar den Arbeitskreis zur Aufstellung des Luftreinhalteplanes einberufen und u.a. folgende Maßnahmen empfehlen werde:

  • Brackeler Straße: Ganztägige Sperrung für Dieselfahrzeuge (mit Schild "Umweltzone"?),
  • Steinstraße/Heiligegartenstraße: Ganztägige Durchfahrtsbeschränkung für Lkw > 3,5 Tonnen (Ausnahmen: Linienbusse und stufenweise eingeschränkter Lieferverkehr), später ggf. auch für Kraftfahrzeuge der Schadstoffgruppen schlechter als 3 bzw. 4.

Diese Maßnahmen sind keinesfalls als Luftreinhalteplan zu bezeichnen, sondern sind lediglich eine Fortführung der erfolglosen Aktionspläne.

Obwohl die Nassreinigung der Brackeler Straße und Steinstraße zu keinerlei Verbesserungen geführt hat, soll an dieser Maßnahme festgehalten werden. Wissenschaftliche Studien aus anderen Städten, wonach Nassreinigungen von Straßen auf die Staubbelastung der Luft keinen signifikanten Einfluss haben, sind offensichtlich dem Regierungspräsidenten unbekannt.

Dies gilt auch für die mittelfristig vorgeschlagenen Maßnahmen "Emissionsarme Bauverfahren" und "Erweiterung des Park & Ride-Angebotes", die in ihrer Ausführung und Wirkung vollkommen vage sind.

Vollkommen abwegig ist der Hinweis auf den in Planung befindlichen B1-Tunnel als Luftreinhaltemaßnahme, zumal hier keinerlei Filter vorgesehen sind und die Baumaßnahme frühestens im Jahr 2012 abgeschlossen sein wird.

Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass der Regierungspräsident Helmut Diegel die Erledigung seiner gesetzlichen Aufgabe vorsätzlich und nachhaltig verweigert und grob fahrlässig mit der Gesundheit der betroffenen Anwohner umgeht.

Mit freundlichen Grüßen

gez.
Werner Blanke
(Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club, Kreisverband Dortmund)

gez.
Thomas Quittek
(Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Kreisgruppe Dortmund)

gez.
Ulrich Langhorst
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kreisverband Dortmund)

gez.
Lorenz Redicker
(Verkehrsclub Deutschland, Kreisverband Dortmund-Unna)