Gesprächstermine mit der SPD für diese Woche abgesagt - Erklärung und Chronologie

Gemeinsame Pressemitteilung von Ratsfraktion und Kreisverband, 16. November 2009

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind zur Kommunalwahl am 30. August mit dem Ziel angetreten, rot-GRÜNE Politik in den nächsten fünf Jahren fortzusetzen. Dabei war uns wichtig, auch unter erschwerten Haushaltsbedingungen soziale Errungenschaften zu erhalten und insbesondere beim Klimaschutz weitere Weichenstellungen vorzunehmen. Das Ergebnis der Kommunalwahl hat gezeigt, dass auch die Wählerinnen und Wähler klar für eine Fortsetzung rot-GRÜNER Politik in Dortmund mit einem verstärkten GRÜNEN Anteil votiert haben.

Zu unserem großen Bedauern müssen wir feststellen, dass dies zumindest von großen Teilen der SPD-Fraktion offenbar nicht gewünscht ist. Dabei ist uns bewusst, dass die SPD-Partei rot-GRÜN will und einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ernst Prüsse torpediert dagegen systematisch das Bemühen, zu einer Verständigung zu kommen. Zumindest durch Stillschweigen wird dies von der SPD-Fraktion hingenommen.

Die Vorgänge um die an sich bedeutungslose Wahl des zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates Stadtsparkasse in der Sitzung des Rates am letzten Donnerstag sind dabei nur das letzte Glied einer längeren Kette. An ihnen wird aber deutlich, dass die SPD-Faktion insbesondere in der Person des Fraktionsvorsitzenden anscheinend gezielt die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zerstört. Nicht anders ist zu erklären, dass den GRÜNEN von der SPD ausdrücklich ein Posten angeboten wurde, auf den diese überhaupt keinen Anspruch erhoben hatten, um hinterher in einer geheimen Abstimmung gegen den gemeinsamen Kandidaten und für den CDU-Kandidaten zu stimmen. Dann noch zu behaupten, es gäbe dafür fachliche Gründe, ist infam.

In dem Bewusstsein, dass es dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Prüsse nur noch darum geht, die Verantwortung für das Scheitern der Koalition den GRÜNEN zuzuschieben, wird die GRÜNE Verhandlungskommission der Mitgliederversammlung empfehlen, die Koalitionsverhandlungen zu beenden. Die Verhandlungskommission sieht keine Möglichkeit, die für diese Woche terminierten Verhandlungen in einer Atmosphäre des Vertrauens, der Verlässlichkeit und des gegenseitigen Respekts zu führen. Dies ist aber unerlässlich für eine produktive und kompromissorientierte inhaltliche Arbeit.

Wir werden uns jetzt intensiv auf die anstehenden Probleme in Dortmund konzentrieren und konkrete Vorschläge zum Nachtragshaushalt erarbeiten, um auch in Krisenzeiten sozial und ökologisch verantwortungsbewusste Politik zu machen.

Chronologie

  1. Die GRÜNEN hatten im Mai/Juni Kenntnis über Mehraufwendungen in den Bereichen der Jugend- und Sozialhilfe. Entsprechende Nachfragen sowohl in Koalitionsrunden als auch bei der Kämmerei, ob die bekannten Mehraufwendungen zu einer Vergrößerung des Haushaltsdefizits führen, wurden mit Hinweis auf Mehreinnahmen beispielsweise im Bereich der Schlüsselzuweisungen verneint.
  2. Am 07.09.2009 wurde als eine erste Konsequenz nach der Kommunalwahl und dem Bekanntwerden des Haushaltslochs zwischen SPD und GRÜNEN vereinbart, die Zusammenarbeit mit der Kämmerin Frau Dr. Uthemann aufzukündigen.

    Darüber hinaus wurde vereinbart, bis zur Konstituierung des neuen Rates keine personalpolitisch relevanten Weichenstellungen in der Verwaltung und den städtischen Gesellschaften vorzunehmen.

    Am 08.09.2009 wurde eine entsprechende gemeinsame Erklärung den Medien zur Kenntnis gegeben.
  3. Bereits einige Tage später waren die SPD-Verantwortlichen nicht mehr bereit, diese Vereinbarung einzuhalten und die Bestellung des neuen Geschäftsführers der DEW21 zu verschieben. Dieser Wortbruch war insofern bedeutsam, als gerade mit Blick auf die mögliche Rekommunalisierung der DEW 21 die Wahl eines adäquaten Geschäftsführers im Einvernehmen von zukünftigen Koalitionspartnern erfolgen sollte.
  4. Am 08.10.2009 stellte sich Ullrich Sierau auf einer GRÜNEN Mitgliederver-sammlung den Fragen der GRÜNEN Mitglieder. Er erläuterte seine Fehlein-schätzung der Haushaltssituation und stellte sein Rollenverständnis im Verwal-tungsvorstand dar. Das wurde von den GRÜNEN positiv honoriert.

    Darüber hinaus stellte die Mitgliederversammlung fest:

    "Die GRÜNE Mitgliederversammlung spricht sich für eine zügige Fortsetzung der Gespräche mit der SPD aus, um die anstehenden Probleme gemeinsam zu lösen. Die GRÜNEN stehen zu ihrer politischen Verantwortung und haben den Anspruch, gerade angesichts der schwierigen Haushaltslage die Zukunft der Stadt mitzugestalten."
  5. Trotz der Vereinbarung mit der SPD, sehr zügig über die Haushaltslage zu sprechen, um die gemeinsamen Spielräume auszuloten, wurden entsprechende Ter-minvereinbarungen von Seiten der SPD verschleppt. Und trotz einer zwischenzeitlich getroffenen Vereinbarung, ein gemeinsames Rechtsgutachten einzuholen, um die Notwendigkeit einer Wahlwiederholung prüfen zu lassen, forderte Ernst Prüsse mehrfach öffentlich von den GRÜNEN, unabhängig vom Ergebnis dieses Gutachtens von einer Wahlwiederholung Abstand zu nehmen. Von dieser Forderung hat sich selbst der Hauptbetroffene Ullrich Sierau distanziert. Wir GRÜNE hatten mehrfach deutlich gemacht, dass wir unsere Bewertung einer Wahlwiederholung auf der Grundlage des genann-ten Gutachtens vornehmen werden.
  6. Am 09.10.2009 wurde mit Ernst Prüsse über den weiteren Verlauf der Koalitionsverhandlungen gesprochen. Als Ergebnis wurde ein weiterer Gesprächstermin (23.10. oder 24.10.2009) mit der Zielsetzung vereinbart, die Koalitionsverhandlungen zu beschleunigen. Trotz mehrmaliger Nachfragen wurde dieser Termin nicht bestätigt.
  7. Am 14.10.2009 stellte Ernst Prüsse in einem offensichtlich länger vorher verabredeten Exklusivinterview ohne erkennbaren Grund die Zusammenarbeit mit den GRÜNEN infrage. Er erklärte, dass vor einer Aufnahme weiterer Koalitionsgespräche klar sein müsse, dass die GRÜNEN den Einwänden gegen die Kommunalwahl im Wahlprüfungsausschuss nicht zustimmen werden. Darüber hinaus teilte er mit, dass bereits ein Gesprächstermin mit der CDU vereinbart sei. Die Mitgliederversammlung der GRÜNEN vom 08.10.2009 mit Herrn Sierau bezeichnete Ernst Prüsse in seinem Interview als "Showveranstaltung". "Sonnenschein-Politik sei mit ihm nicht machbar", so Ernst Prüsse. Seiner Auffassung nach solle die SPD keine feste Zusammenarbeit mit einem Koalitionspartner eingehen.
  8. Um die angesichts der Haushaltslage drängenden Probleme der Stadt zu lösen, wurde seitens der GRÜNEN dennoch versucht, die Differenzen mit der SPD auszuräumen und nunmehr schnellstmöglich zu einem Verhandlungsergebnis zu kommen. Bei einem nächsten Gespräch am 28.10.09 wurde bekräftigt, die Koalitionsverhandlungen ohne Vorbedingung wieder aufzunehmen. Bis zum endgültigen Abschluss der Koalitionsverhandlungen sollte die Ratsarbeit ohne wechselnde Mehrheiten weitergeführt und keine Verhandlungen mit anderen Fraktionen geführt werden. Außerdem wurde der Austausch der vorliegenden inhaltlichen Papiere und die Erstellung eines Zeitplans verabredet (s. gemeinsame Presse vom 29.10.2009)

    Während des Treffens wurde auch über die Besetzung der Aufsichtsräte Seniorenheime und Flughafen gesprochen. Die GRÜNEN schlugen vor, den Aufsichtsrat Flughafen erst dann umzubilden, wenn die Grenze von 500 Beschäftigten überschritten sei, während bei der Umbildung des Aufsichtsrats Senio-renheime Einigkeit bestand. Daraufhin bot Ernst Prüsse an, den Aufsichtsrat Flughafen in seiner ursprünglichen Zusammensetzung zu belassen. Ein entsprechender Änderungsantrag zur Verwaltungsvorlage sollte von SPD und GRÜNEN eingebracht werden.
  9. Am 09.11.2009 wurde in der GRÜNEN Fraktionssitzung noch einmal die Gesprächsergebnisse vom 28.10.2009 diskutiert. Am Abend desselben Tages teilte die SPD der Presse mit, dass sie hinsichtlich des Aufsichtrates Flughafen der Verwaltungsvorlage folgen wolle. Eine vorherige Unterrichtung geschweige denn eine Verständigung mit den GRÜNEN fand nicht statt. Damit kündigte die SPD die ursprünglichen Vereinbarungen zum Aufsichtsrat Flughafen einseitig auf.
  10. Am Dienstag, den 10.11.09, fand das vereinbarte Gespräch zum Haushalt statt. Um die inhaltliche Arbeit voranzubringen, hatten ausschließlich Bündnis 90/DIE GRÜNEN eine Übersicht der inhaltlichen Positionen der beiden Parteien erstellt. Strittig war die weitere Terminplanung für gemeinsame inhaltliche Gespräche. Während die GRÜNEN darauf drängten, angesichts der Haushaltssituation rasch handlungsfähig zu werden und endlich inhaltliche Positionen zu besprechen, teilte die SPD mit, dass erst Mitte Dezember das erste mögliche Koalitionsgespräch über inhaltliche Fragestellungen möglich sei. Der SPD-Parteivorsitzende Drabig schlug schließlich kurzfristig gemeinsame Termine in der 27. Kalenderwoche vor.
  11. Am 10.11.2009 wurde eine Vorlage für die am 12.11.2009 terminierte Ratssitzung erstmalig bekannt. Gegenstand der Vorlage war die Ausschreibung der Dezernate 2 und 6. Eine vorherige Abstimmung über die zukünftige Dezernatsstruktur als Aufgabenprofil für die vakanten Dezernatsstellen wurde nicht vorgenommen.
  12. Am 11.11.2009 gab es seitens der SPD-Fraktion das Angebot, die Funktion des/der zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates Stadtsparkasse mit dem GRÜNEN Mitglied im Verwaltungsrat zu besetzen. Der Vorschlag ist ausdrücklich nicht von GRÜNEN eingebracht worden. Da diese Funktion jedoch auch in der letzten Wahlperiode von uns besetzt war, haben wir dem Verfahrensvorschlag zugestimmt, wobei diese Position von geringer Bedeutung ist.
  13. Während der Ratssitzung wurde, für die GRÜNEN überraschend, seitens der CDU Herr Reppin als Gegenkandidat für diese Position vorgeschlagen. Andreas Paust, SPD-Fraktionsgeschäftsführer, empfahl uns in der Ratssitzung, an dem eingebrachten Vorschlag festzuhalten. Der Empfehlung von Ullrich Sierau, eine offene Abstimmung über die Position des zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates Stadtsparkasse durchzuführen, widersprach Ernst Prüsse mit der Forderung nach einer geheimen Abstimmung.

    Wie bekannt ist, wurde dann die Ratssitzung auf Wunsch von Ernst Prüsse für eine 10-minütige Fraktionssitzung unterbrochen. Das Abstimmungsergebnis der geheimen Wahl von 19:69 Stimmen macht deutlich, dass der CDU-Kandidat eine große Zustimmung aus der SPD-Fraktion erhalten hatte. Bestenfalls fünf SPD-Fraktionsmitglieder haben für den GRÜNEN Kandidaten gestimmt. Fachliche Gründe konnten wohl kaum ein Grund für die Nicht-Wahl des gemeinsamen Kandidaten sein, der zudem von der SPD-Fraktion vorgeschlagen worden war.