Mein politisches Selbstverständnis

Von Christian Nähle, Jahrgang 1981, Mitglied im Vorstand des Kreisverbands Dortmund

Christian Nähle

Vor ein paar Jahren keimte in mir die heute tief verwurzelte Frage wie Frieden bestmöglich zu organisieren sei - und zwar so, dass er auch größeren Spannungen standhält.

Die Ermöglichung eines stabilen friedlichen Zusammenlebens ist mittlerweile die Eingangstür meiner politischen Überlegungen und mein Gerechtigkeitsverständnis der öffnende Schlüssel: Ich glaube eine Gesellschaft ist erst dann gerecht, wenn alle der Gesellschaftsordnung zustimmen können, noch bevor sie wissen, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen werden (vgl. Rawl, John: "Eine Theorie der Gerechtigkeit", Frankfurt am Main, Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 1979).

Mit diesem theoretischen Gerechtigkeitsverständnis trete ich praktisch für Demokratie ein; denn nur in einer Demokratie hat die eine Stimme die Chance, so viel zu wiegen wie jede andere.

Diese demokratische Stimme soll durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen ergänzt werden, denn alle Menschen brauchen eine Teilnahmeperspektive in die sie sich hineinentwickeln können. Ich glaube je freiheitlicher und inklusiver diese Perspektive ist, umso mehr blühen die Persönlichkeiten von uns Menschen auf.

Des Weiteren glaube ich, dass alle in unserem Land souverän und selbstbestimmt leben dürfen sollten. Deshalb müssen wir aufhören unsere Souveränität durch ein repressives Sozialsystem zu beschädigen in dem unsere Lebensrisiken sukzessiv wieder individualisiert werden und eine ideologische Entsorgung der Hilfebedürftigen stattfindet, indem sie vor der Gesellschaft an ihrer Situation schuldig gesprochen werden. Ich glaube besonders Hartz IV tastet die Würde unserer Demokratie an. Deshalb müssen wir unser Sozialstaatsverständnis überarbeiten. Dafür möchte ich das Bedingungslose Grundeinkommen breit in unserer Gesellschaft diskutieren.

Die gesellschaftliche Diskussion über grundsätzliche Reformperspektiven unseres Sozialstaats ist dringend: Je größer die Schere zwischen arm und reich wird, desto mehr erodiert nicht nur unsere gesamtgesellschaftliche Solidarbasis, sondern desto größer werden auch unsere sozialen Folgekosten.

Als weiteren gesellschaftlichen Baustein um das Aufblühen von uns Menschen möglichst individuell und somit in aller Vielfalt zu ermöglichen, glaube ich, dass nichts entscheidender ist als unverzweckte Bildung, die gleichermaßen allen zugänglich sein muss. Daher glaube ich auch, dass es dienlich ist, geistige Eigentumsrechte im Kontext unserer Zeit zu diskutieren und freies Wissen zu fördern. Informationen dürfen an keinem wissensbasierten Wirtschaftsstandort künstlich verknappt werden.

Weiterhin glaube ich, dass keine demokratische Stimme verloren gehen darf. Jede Stimme sollte so unmittelbar wirken, wie nur möglich. Demokratiedefizite müssen öffentlich diskutiert werden. Beispielsweise darf Demokratie nicht durch intransparente Lobbypolitik verfälscht werden. Wirtschaftlich fördere ich deshalb Freie Software und genossenschaftliche Strukturen, denn sie sind nicht nur demokratisch, sondern auch unverkäuflich. Gleiches gilt für das Bankenwesen. Deshalb ist es richtig, dass wir in unserem Kreisverband unsere Geldgeschäfte mit der GLS Bank abwickeln. Die GLS Bank ist eine genossenschaftliche Universalbank mit öko-sozialen Anlagegrundsätzen, die ihr Geschäft transparent gestaltet und erkannt hat, dass wir ein dienendes Bankenwesen brauchen und kein eigennütziges: "Verantwortung kann man am Geldschalter abgeben. Muss man aber nicht." (GLS Bank) Und ich möchte ergänzen: dürfen wir auch nicht! Wir dürfen Verantwortung nicht länger outsourcen. Politisch fordere ich deshalb von niemandem etwas zu tun, was ich persönlich nicht auch grundsätzlich bereit wäre zu tun. Ich glaube, dass es uns gut zu Gesicht steht, Verantwortung so lange zu diskutieren bis es schmerzt, um sie dann weiter zu diskutieren.

Aus dieser Verantwortungsüberlegung bin ich nicht nur grundsätzlich gegen militärische Kampfeinsätze, weil sie Frieden lediglich einen Steinwurf entfernt erscheinen lassen, sondern auch für den Ausbau des Fairen Handels als Element von Weltgerechtigkeit, und für eine vegane Ernährung: Wenn mensch ist, was mensch isst, dann sind zu viele Menschen Sadisten; aber vor allem sollten wir Tiere nicht als bloßen Rohstoff betrachten. Übergeordnet adressiert Veganismus des Weiteren direkt die Herausforderung unserer Klimagerechtigkeit. Wir müssen im wörtlichen Sinne aufhören unser Ökosystem zu zerfressen. Glücklicherweise hält jeder von uns ein mächtiges Instrument in der Hand unsere Ernährung täglich zu diskutieren und mehr globale Gerechtigkeit zu leben: die Gabel. Dabei geht es mir nicht um Verzicht, sondern um eine andere Qualitätsanschauung unserer Ernährung. Wir sind auch durch unseren Ernährungsstil die Hauptverantwortlichen des Klimawandels. Aber wir müssen nicht nur finanzielle Verantwortung für den Klimawandel übernehmen, sondern ich glaube wir sollten auch täglich eine persönliche Verbesserung unseres Klimaverhaltens bewerben und fördern. Außerdem möchte ich feststellen wie abartig satte Menschen in unserer Gesellschaft hungrig gemacht werden und wie wir mit unserer Agrarpolitik in der dritten Welt Massenmord betreiben - und zwar nur weil die Lebensmittelbranche an eine Produktionsgrenze stößt.

Wir GRÜNE glauben an Freiheit - wir glauben aber auch, dass Gleichheit die Betriebsart der Verteilungsgerechtigkeit von Freiheit im wilden Kampf ums Dasein ist. Deshalb ist es auch wichtig, unser Geldsystem endlich als Motor der Finanzkrise in den Fokus der Lösungsdebatte zu stellen. Wir brauchen dringend eine gesellschaftspolitische Debatte über "rostendes Geld".

Ich glaube, dass unser Geldsystem zur Finanzkrise geführt hat, wodurch es nicht zu einer geographischen, sondern zur massivsten hierarchischen Umverteilung kommt. Auf diese Weise wird die Grenze des Unsozialen mehr und mehr überschritten.

Ich engagiere mich kommunalpolitisch, weil ich glaube, dass Gemeinden als Erfahrungs- und Handlungsraum die entscheidenden Akteure für sämtliche gesellschaftspolitischen Veränderungsprozesse sind. Ferner glaube ich, dass wir GRÜNE die offenen Augen unseres Gemeinwesen sind, in denen sich innovative Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit spiegeln.