Protokoll der Sondermitgliederversammlung vom 12. Juni 2014 im Wichernhaus - Befragung von Dr. Annette Littmann und Ullrich Sierau

Hilke Schwingeler begrüßt die Anwesenden, insbesondere Frau Dr. Littmann und Herrn Sierau.

Formalia

Remo Licandro klärt die Formalia. Die Dringlichkeit der Mitgliederversammlung wird bestätigt. Die Versammlungsleitung übernehmen Hilke Schwingeler und Remo Licandro. Protokoll führen Katja Bender und Christoph Neumann. Der Ablauf der Versammlung (Eingangsstatement, Fragerunde, Schlussstatement) wird geklärt.

Hilke Schwingeler erklärt den Zweck der Veranstaltung. Daniela Schneckenburger leitet den Abend ein.

Sie dankt den Frau Dr. Littmann und Herrn Sierau für ihre Bereitschaft, sich der Diskussion zu stellen. Die vielen Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung zeugten vom großen Interesse an der Stichwahl. Es habe viele Nachfragen gegeben, was GRÜNE Wählerinnen und Wähler bei der Stichwahl wählen sollten. Daher solle die Veranstaltung klären helfen, wieviel GRÜN in den Kandidierenden steckt. Stichworte seien insbesondere der Flughafen, die Verkehrssituation in Dortmund, Fragen der Integration sowie die Zukunft der kommunalen Unternehmen. Wichtig sei darüber hinaus die Frage, wie sich der/die zukünftige OB die Zusammenarbeit mit dem Rat vorstellt.

Eingangsstatements

Frau Dr. Littmann bedankt sich in ihrem Eingangsstatement für die Einladung, und betont, dass sie die MV als Bereicherung empfinde.

Persönliches: Jahrgang 1960, verheiratet, 2 Kinder, evangelisch, seit 87 in Dortmund, aufgewachsen in Berlin, Banklehre in Westdeutschland, BWL-Studium, dann Journalistin, später in der kaufmännischen Geschäftsführung, arbeitet jetzt in der "verbotenen Stadt" im Bereich Marketing.
Politisch: 2004-2010 im Rat für die FDP, seit 2012 CDU-Mitglied, in einer Kommission für Finanzen und Wirtschaft.

Politik im Wahlkampf neige, so Frau Dr. Littmann, zu Versprechungen, sie versuche hingegen realistisch zu bleiben. Die Politik werde im Rat gemacht, allerdings würden die großen Leitlinien vom OB mitbestimmt. Wichtig sei ihr ein fairer Umgang in der Politik und nicht Schreien oder Toben. Sie sei Anhängerin von sachbetonten Auseinandersetzungen, nicht von oberlehrerhafter Belehrung. Angesichts der Tatsache, dass kommunales Engagement ein Ehrenamt sei, sei sie für straff geführte Sitzungen. Gleichzeitig setzte sie sich für einen vernünftigen Führungsstil in der Verwaltung ein. Ein wichtiges Thema sei in diesem Zusammenhang auch die Modernisierung der Stadtverwaltung. Nach 60 Jahren SPD sei eine Neuorientierung hier bitter notwendig.

Aus ihrer Tätigkeit bei den Stadteltern sei ein weiteres wichtiges Thema die Bildung für Kinder und Jugendliche unabhängig vom Elternhaus. Dabei gelte es, die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus besser auszugestalten. Der Haushalt sei mittelfristig ins Lot zu bringen. Der Schuldenberg der Stadt Dortmund wachse, und man gerate in eine Spirale, in der Gebühren erhöht werden müssen und Unternehmen deswegen abwandern.

Weitere Einsparungsmöglichkeiten ergäben sich durch einen vermehrten Einsatz interkommunaler Kooperation. Es müsse nicht in jeder Kommune alles neu erfunden werden.

Die Energiebeteiligung der Stadt (namentlich: RWE-Aktien) solle mittelfristig abgebaut werden. Die Beteiligung von STEAG habe sie schon immer kritisch gesehen und damals im Aufsichtsrat der Stadtwerke dagegen gestimmt.

Herr Sierau erwähnt zu Beginn seines Eingangsstatements eine frühere GRÜNE Mitgliederversammlung, zu der er eingeladen war, und betont, dass er sich eine harmonische Zusammenarbeit mit den GRÜNEN wünscht.

Zu seiner Person sagt er, dass er in Halle/Saale geboren ist, nach der Flucht seiner Eltern in Wolfsburg aufgewachsen ist und seit 1976 in Dortmund lebt. Während seiner Jugend in Niedersachsen sei er zum Kernkraftgegner geworden. In Dortmund habe er Raumplanung studiert, in Bürgerinitiativen gearbeitet und früher überlegt, den GRÜNEN beizutreten. Er betont die Schnittmengen beider Parteien. Seit 1999 arbeite er in der Stadtverwaltung.

Herr Sierau würdigt das zivilgesellschaftliche Engagement der Dortmunder Bürgerinnen und Bürger als einzigartig in Deutschland. Politisch sagt er, dass die Gewerbesteuererhöhungen auch von der CDU mitgetragen wurden und verneint, dass die Steuersätze entscheidend sind, sondern die Rahmenbedingungen, die durch die Stadtverwaltung mitgeschaffen werden. Er wolle als OB die Stadt nach vorne bringen, die kommunale Unternehmenslandschaft weiterentwickeln und betont, dass viele Punkte des Wahlprogramms der GRÜNEN durchaus auch SPD-tauglich sind. Insbesondere die Bereiche Migration und Integration stellt er dabei heraus.

Befragung

Frage 1:
Benennen Sie konkrete Vorschläge zur Reduzierung der Verschuldung

Dr. Littmann: Das laufende Defizit ist auf Null zu bringen. Weiter soll der Einsatz von Vermögenswerten (RWE-Aktien, wenn der Preis stimmt) geprüft werden. Die Verwaltung kann mit Geld effizienter umgehen.

Sierau: Verwaltungsvorschläge sind häufig nicht gerne gesehen. Konkrete Vorschläge sind schwer zu benennen. Nicht kaputtsparen, sondern Strukturen bei Möglichkeit ausdünnen, ist dabei der Weg. Dazu als Beispiel: Verwaltungshierarchien abbauen, etc. Das Personalbudget zu kürzen, ist nicht sinnvoll. Immer wieder findet eine Aufgabenkritik in der Stadtverwaltung statt. Weiterhin ist auf der Einnahmenseite die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen durch Bund und Land zu beseitigen.

Frage 2:
Wie sollen Kinder mit "weniger Grips" [Anmerkung: Hier wird ein Zitat aus Frau Littmanns Eingangsstatement aufgegriffen] aber besonderen Talenten weiter gefördert werden?

Dr. Littmann: Ziel ist es, kein Kind zurücklassen. Die Integration dieser Kinder ist wichtig, muss aber finanzierbar sein. Bei vielen Schulen, Lehrern und Eltern gibt es Sorgen bezüglich der Inklusion. Auch ist die Stadt gefordert, Vereinbarungen mit dem Land zum Thema Sozialarbeit einzuhalten.

Nach

Frage:
Werden Schulsozialarbeit und Talentoffensive weiter gefördert?

Dr. Littmann: Das Land soll finanziell in Verantwortung gehen, sie selbst würde und möchte sie auch gerne weiterführen - das ganze steht aber unter Finanzierungsvorbehalt.

Frage 3:
Die Zulassungszahlen von PKWs steigen in Dortmund. Wie steht die CDU zur Ausweitung von Parkflächen?

Dr. Littmann: Parkraum ist unveränderbar notwendig. Der Trend hin zu mehr Autos lässt nach, auch weil die Car-Sharing-Angebote wachsen. Die CDU begleitet das mit Sympathie, will aber nicht Parkflächen reglementieren, da es für Händler wichtig ist, dass ihre Kundschaft sie erreichen kann. Eine autofreie Innenstadt/City-Maut lehnt sie ab.

Frage 4:
Statement zu newPark und wie sich die Stadt Dortmund dabei einbringen sollte. Wir wird die Gefahr eines 08/15 Gewerbegebietes gesehen?

Sierau: newPark war geeignet als Fläche, der Preis ist aber zu hoch. newPark ist von Mehrheit des Rates getragen. Inhaltliche und flächenmäßige Disposition sind jedoch nicht ganz geeignet. Der newPark kann Leitprojekt der Klimaexpo sein. newPark ist aber nicht spruchreif, gerade weil der Preis zu hoch ist.

Dr. Littmann: CDU hat newPark mitgetragen und bedauert den Stopp durch die Landesregierung. In Dortmund wird mehr Gewerbe und Industrie - insbesondere aufgrund der Arbeitslosigkeit - benötigt. Die CDU hat die Landesregierung für den Stopp kritisiert.

Frage 5:
Thema Naturschutz: Hier ist die Position von Herrn Sierau ja bekannt. Wie steht Frau Dr. Littmann zum Thema Verkehr und speziell dem Weiterbau der OWIIIa.

Dr. Littmann: Die CDU will die OWIIIa-Planungen fortsetzen und stellt in dieser Frage eine Nähe zwischen CDU und SPD fest. Die aktuelle Verkehrsführung sei für Anwohner schwierig, daher hält sie den Weiterbau für vernünftig.

Frage 6:
München hat eine Schlau-Schule, die sich um verschiedene Bedürfnisse von Jugendlichen (vor allen Dingen als Flüchtling) kümmert. Kann so eine Schule auch in Dortmund gebaut werden?

Sierau: Dortmund hat viele Schlau-Schulen, da hier viele Schüler mit Migrationshintergrund leben. In Dortmund gibt es Auffangklassen, die durch das Land unterstützt werden. Dabei liegt der Schwerpunkt nicht nur in der Nordstadt, sondern in ganz Dortmund. Zunächst muss die Grundversorgung der Flüchtlinge gesichert werden. Es gibt zudem in Dortmund viele unbegleitete Flüchtlinge, Dortmund hat zwei Clearinghäuser.

Dr. Littmann: Auffangklassen wurden schon erwähnt, am Ende hängt aber alles vom Geld ab. Neben Landesmitteln braucht die Kommune Geld aus Eigenmitteln. Unrealistische Versprechungen dürfen nicht gemacht werden. Der Aufbau einer eigenen Schule ist sehr schwierig.

Frage 7:
Der Umgang mit städtischem Personal orientiert sich nach Sieraus eigenen Aussagen an den 3D: Durchblick, Disziplin und Demut. Dem gegenüber steht aber, dass er der GRÜNEN Dezernentin und dem GRÜNEN Dezernenten Kompetenzen abspreche.

Sierau: Beim Thema der Forensik wurde deutlich, dass der Standort zu nah an Dortmund gewählt war, was aber erst aus der Zeitung zu erfahren war. Es bestand somit berechtigte Kritik am Verfahren der GRÜNEN Ministerin Steffens. Die Durchprüfung war dann jedoch gut. Seine Kritik richtet sich nicht nach Parteibuch. Mit der GRÜNEN Dezernentin hat eine Aussprache erfolgt. Die Restzeit soll harmonisch verlaufen. Auch GRÜNE gehören in den Verwaltungsvorstand. Konkret sollte der Verwaltungsvorstand die Mehrheitsverhältnisse im Rat abbilden.

Frage 8:
Wie stehen Sie zu den Grenzen des Wachstums, insbesondere zu Themen wie Erreichbarkeit der City.

Dr. Littmann: Fasst man Wachstum als quantitativen Prozess auf, kann es nicht unbegrenztes Wachsen geben. Die Qualität des Wachstums ändert sich jedoch. Als Stadt kann man entsprechend neue Konzepte unterstützen.

Sierau: Durch die Kommune werden viele Projekte (fair trade, regenerative Energien etc.) unterstützt, beim Flächennutzungsplan könnten mehr Naturschutzflächen ausgewiesen werden. Die Stadt hat bereits umgesteuert, um Ressourcen zu sparen. Ziel ist es, intelligente Lösungen vor Ort zu finden und zu exportieren, um damit auch wirtschaftliche Impulse zu setzen.

Frage 9:
Wie stehen Sie zum Flughafen?

Dr. Littmann: Selbst im Aufsichtsrat der Stadtwerke waren die Infos zum Flughafen nicht ausreichend, um wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, da z.B. Verträge mit Airlines nicht einsehbar sind. Der Flughafen ist als Teil der städtischen Infrastruktur zu sehen, betont werden muss hier aber die Bedeutung von betriebswirtschaftlichen Fragen. Daher ist bei Dauerschulden der Flughafen nicht vertretbar - eine Prüfung in 2 Jahren auf Wirtschaftlichkeit muss stattfinden. Ist dann der Betrieb wirtschaftlich nicht vertretbar, ist eine Abwicklung denkbar. Dies erfordert aber eine bessere Informationslage.

Sierau: Nach der Neureglung der Betriebszeiten ist es jetzt nicht hilfreich zu spekulieren, was jetzt passiert. In zwei Jahren gibt es eine betriebswirtschaftliche Analyse, die z.B. auch die Situation anderer Flughäfen bedenkt. Hier ist eine intensive Diskussion mit allen Beteiligten erforderlich.

Frage 10:
Wie sehen Sie die aktuelle Situation bezüglich des Rechtsextremismus?

Dr. Littmann: Die Situation am Wahlabend war sehr schlecht. Die Tumulte sind für das Bild von Dortmund schädlich, endgültige Konzepte zum Umgang mit Rechtsextremismus sind aber noch nicht vorhanden.

Sierau: Die Situation ist nicht hinnehmbar. Man hat hier eine lange Erfahrung in diesem Feld; zu nennen ist den Aktionsplan gegen Rechts und die Opferberatungsstelle. Hier hat keine Stadt mehr vorzuweisen als Dortmund. Die Sitze für die Rechten sind eine Niederlage, der Grund dafür muss erforscht werden. Aktuelle Maßnahmen zum Umgang mit den Rechten sind getroffen. Weitere Beratungen müssen folgen, das Thema werden wir lange noch auf dem Tisch haben und müssen weiter aufpassen.

Frage 11 an Frau Dr. Littmann:
In der PM von Frau Littmann steht: "Dortmund ist keine Hochburg des Rechtsextremismus". Wie kann so eine Aussage stattfinden?

Dr. Littmann: Man hilft der Stadt nicht, wenn man Dortmund zur Hochburg macht. Damit zieht man die Rechten an, da die Stadt so noch attraktiver für die Rechtsextremen wird.

Frage 12 an Frau Dr. Littmann:
Was hätten Sie als OB am Wahlabend getan?

Dr. Littmann: Die Rechtsextremen sind in den Rat gewählt worden. Rechtlich gab es keinen Grund den Zugang zum Rathaus zu versperren. Das Recht muss akzeptiert werden und Grundlage des Handelns sein.

Schlussstatements

Sierau: Es gibt eine ganze Menge an Schnittmengen zwischen GRÜNEN und der SPD. Fragen des Umgangs mit Anderen sind selbstkritisch zu bedenken. In den nächsten 6 Jahren gilt es, weiter zu kämpfen, um die Zivilgesellschaft zu stärken und die sozialen Schieflagen nicht zu verstärken. Insbesondere in der Bildungspolitik müssen die richtigen Weichenstellungen gefunden werden.

Dr. Littmann: Die Veranstaltung ist als sehr gelungen zu sehen, gerade auch mit Blick auf den guten Austausch. Wichtig ist, dass ein OB die Verwaltung leitet und der Rat die Politik beschließt. Hier gilt es einen gemeinsamen Nenner zu finden und einen fairen Umgang zu pflegen. Politisches Ziel ist die Modernisierung der Stadtverwaltung. Ein wichtiger Punkt sind die Finanzen. Alle Fragen der Stadtverwaltung müssen finanzierbar sein.

Hilke Schwingeler und Remo Licandro beenden den öffentlichen Teil und bedanken sich bei Frau Dr. Littmann und Herrn Sierau mit Blumen.