25 Jahre GRÜNE in Dortmund

Manuskript der Rede von Kreisverbands-Sprecher Matthias Dudde beim Neujahrsempfang am
16. Januar 2005

Liebe Freundinnen und Freunde,

im Namen des Kreisvorstandes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Dortmund begrüße ich euch herzlich zum diesjährigen Neujahresempfang. Wir haben euch zu "25 Jahre GRÜNE in Dortmund Rückblick und Ausblick" eingeladen. Die hier zusammengestellten Plakate wecken sicherlich bei einigen schon Erinnerungen an die Wahlkampfthemen und das Plakatieren für eine der 24 Wahlen seit 1979. Die Europawahl 1979 bestritten wir unter dem - in meinen Augen - genialen Parteinamen "Sonstige politische Vereinigung DIE GRÜNEN". Die Kommunalwahl im selben Jahr führte die "Bunte Liste - Alternative für Dortmund".

Ein GRÜNER Rückblick auf den 3. Dezember 1979, dem Gründungsdatum des Kreisverbandes, bringt die Frage hervor: Was ist aus den Vorstellungen der vielen Initiativen und Protestgruppen, was ist aus der GRÜNEN Vision einer anderen Partei geworden? In einem Aktenordner habe ich in einem handgeschriebenen Brief aus dem Dezember 1982 an den damaligen Vorstandssprecher Pejo Boeck ein Zitat von Hölderlin gefunden: "Oh, hätte ich doch nie gehandelt, um wie manch eine Hoffnung wäre ich reicher."

In den letzten 25 Jahren haben wir uns verändert. Aus den "alternativen Zeiten" heraus, in denen wir als Partei hauptsächlich Sand im Getriebe der Mächtigen sein wollten, hin zu einer Partei, die mittlerweile auf allen Ebenen als Regierungspartei in die Wahlen zieht. Dieser Weg war sehr strittig. Nach harten Auseinandersetzungen um den politischen Kurs der Partei - zum Beispiel 1999 die Kosovodebatte - haben viele aus Enttäuschung und Resignation "ihre", die alternative, die andere, ja die so genannte Anti-Partei verlassen. Dies gilt auch für die Wertkonservativen, die 1980 nach der 3. Bundesversammlung in Dortmund gingen. Bei diesem Treffen in Dortmund hatten die Delegierten die GRÜNE Partei in eine klare antifaschistische Tradition gestellt.

Bei diesen Veränderungen hat sich auch das Verhältnis von "gesellschaftspolitischem Standbein und parlamentarischem Spielbein" - wie Rudi Dutschke es weit vor der Gründung der Parteigründung ausgedrückt hat - verändert. Viele der langaktiven Mitglieder empfinden das als Verlust, aber auch die vielfältige, widerspruchsvolle Gesellschaftskritik und Protestkultur existiert nicht mehr in der damaligen Form. Sind die Leitprinzipien der Basisdemokratie mit Rotation und Trennung von Amt und Mandat der Regierungsfähigkeit geopfert worden? Haben wir den Umbau der Industriegesellschaft aufgegeben oder haben wir die ersten wichtigen Schritte eines langen Weges zurückgelegt? Ich bin sicher, dass diese Fragen auch in Zukunft kontrovers diskutiert werden.

Nach meiner Beobachtung sind die ökologischen Veränderungen und der stattfindende gesellschaftliche Umbau viel dramatischer, als wir mit unseren damaligen kreativen und mit vielen Hoffnungen versehenen Aktionen, mit unserer aufklärenden Arbeit aufzeigen konnten. Statt eines selbst bestimmten Menschen in seinem soziokulturellen Umfeld dominiert das Menschenbild des Marktteilnehmers. Hier haben wir GRÜNEN nach wie vor die zentrale Aufgabe die Leute für ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften zu gewinnen.

Einer der Sätze, die ich in den letzten Wochen am meisten gehört habe, ist: "Ihr seit eine normale Partei geworden." Für diejenigen, die sich schon 1979 eine richtige Partei wünschten, sind 25 Jahre GRÜNE eine Erfolgsgeschichte. Einige sagten mir: "Ihr regiert von meinem Stadtteil bis zur EU überall mit und habt in den Umfragen die beliebtesten PolitikerInnen. Ihr setzt im Verbraucherschutz und im Umweltbereich die richtigen Themen; ohne euch gebe es keinen verabredeten Atomausstieg, ihr unterstützt ImmigrantInnen, ihr macht es bei den Partnerschaften gleich u. v. m."

Ja, wir haben gehandelt, dabei Hoffnungen verloren, aber wir haben auch Erfolge vorzuweisen. Und mit Blick auf die aktuelle Debatte um Nebeneinkünfte und ähnliches sind wir - glücklicherweise - immer noch die etwas andere Partei.

Auch wenn wir uns in 25 Jahren verändert haben: Der Spagat zwischen programmatischen Visionen der Partei und der Umsetzungsfähigkeit in den Parlamenten wird uns auch in Zukunft beschäftigen. Z. B. die neue Kampagne "Weg vom Öl", mit der wir den wirtschaftlichen Schmierstoff unserer Gesellschaft schlecht hin in Frage stellen. Dies kann auch eine Debatte um neue Visionen in den Umweltverbänden, "im gesellschaftlichen Standbein" auslösen. Wir haben mit der BürgerInnenversicherung ein gerechteres Modell und werden - mit Blick auf Markus Kurth - auch für eine nachhaltige Sozialpolitik, die sich am soziokulturellen Minimum orientiert, streiten. Und der Kreisverband hat mit den Landtagswahlen den 25. Wahlkampf vor sich, in dem wir unsere Vorstellungen einer besseren Bildungspolitik deutlich machen werden.

Zum Schluss noch etwas zur Gründung der Kreisverbandes. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat die Gründungsversammlung bei "unserem" Griechen knapp 100 Meter entfernt stattgefunden. Damals war es vermutlich noch eine Kneipe und hieß "Ruhrhof". Erst vorgestern habe ich eine Liste des Gründungsvorstands bekommen: Es waren sieben Männer! Seit dem hat sich einiges positiv verändert.

Ich wünsche euch ein glückliches und gutes Jahr 2005!

GRÜNE sind "erwachsen geworden"

Von Oliver Volmerich

aus: Ruhrnachrichten vom 22. Januar 2005

Eigentlich dürfte es die Grünen in Dortmund gar nicht geben. Denn der Gründungsvorstand, der die alternative Partei am 3. Dezember 1979 in Dortmund aus der Taufe hob, war eine reine Männerrunde. Undenkbar in den Zeiten der Frauenquote. Doch die kam erst später.

Es ist nicht das Einzige, was sich in den letzten 25 Jahren bei den Grünen verändert hat. Aus der Oppositionsbewegung der 80er-Jahre, die in diesen Tagen ihren 25. Geburtstag feiert, ist eine Regierungspartei auf allen Ebenen - von der Kommune bis zum Bund - geworden. "Wir sind im Erwachsenen-Alter angekommen", bilanziert Kreisverbandssprecherin Hilke Schwingeler. "Früher mussten wir uns dafür verteidigen, dass wir nicht normal sind, heute dafür, dass wir normal geworden sind."

Einen Widerspruch zu den Ansprüchen der Grünen sieht Hilke Schwingeler, die sich selbst zu den Linken zählt, nicht in der neuen Rolle. Man müsse trennen zwischen den Aufgaben von Partei und Fraktion.

"Wir wollen Meinungsbildung von unten nach oben in Gang setzen." Und bei der Umsetzung ist Kompromiss das Zauberwort."Wir sind nicht mehr so blauäugig wie früher und wissen, dass unsere Beschlüsse nicht 1:1 umgesetzt werden können", erklärt die Kreisverbandssprecherin.

Von soviel staatstragender Verantwortung war anfangs noch nichts zu ahnen. Ganz im Gegenteil. Als Öko-Fundamentalisten wurden die Grünen anfangs wahlweise belächelt, an den Pranger gestellt oder ausgegrenzt. Bis hin zu Drohanrufen, erinnert sich Hilke Schwingeler mit Grausen. Die Kinder der grünen Aktivisten sahen sich einem regelrechten Spießrutenlauf ausgesetzt. Und die ersten Mandatsträger wurden von den etablierten Parteien im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen.

Schwingelers sahen sich beispielsweise in Lütgendortmund mancher Attacke des SPD-Ratsherrn Ernst Prüsse ausgesetzt. Heute sitzt man mit Prüsse an einem Tisch, um im Rathaus gemeinsam Politik zu machen. "Wir haben uns beide aufeinander zubewegt", erklärt Hilke Schwingeler die traute rotgrüne Zusammenarbeit.

Auf diesem Weg von der Opposition auf die Regierungsbank hat man allerdings auch Federn gelassen - in Form von Mitstreitern, denen Kompromisse zu weit gingen und die deshalb aus der Partei ausgetreten sind. Nach dem Beschluss zum Bosnien-Einsatz der Bundeswehr war das der Fall, nach Hartz IV ebenfalls. Sogar der einstige Oberbürgermeister-Kandidat und Rats-Fraktionschef Jürgen Mohr hat den Grünen inzwischen den Rücken gekehrt.

Und wie andere Parteien hatten auch die Grünen zwischenzeitlich mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Inzwischen ist die Grüne Jugend wieder sehr aktiv, freut sich der zweite Kreisvorstandssprecher Matthias Dudde. Die Mitgliederzahl der Grünen hält sich bei rund 240. "Es gibt bei uns weiter ein breites Spektrum von Leuten und offene Diskussion über alle Themen", beharrt Hilke Schwingeler. Nur halt viel erwachsener als früher.