Landesdelegiertenkonferenz Essen 2012
Listenwahl zur Landtagswahl 2012
Bewerbungsrede von Mario Krüger

Transkript der Rede vom 31. März 2012

Einen schönen guten Morgen, liebe Freunde und Freundinnen,

zunächst einmal eine Vorbemerkung:

Erstens: Ich bin nervös.

Zweitens: Ich habe schlecht geschlafen.

Sämtliche Varianten des heutigen Ablaufes zum Listenplatz 24 bin ich heute Nacht durchgegangen, und gleichzeitig habe ich mir die Aufgabe gestellt, euch ein wenig wachzurütteln. Mal schauen, ob mir dies gelingen wird.

Ich bin seit mehr als 30 Jahren bei den GRÜNEN und könnte Euch sicherlich eine Menge dazu erzählen. Das wäre ein abendfüllendes Thema, das will ich Euch ersparen. Nur so viel: Ich bin im November '81 im Kreisverband Mettmann eingetreten, Mitgliederausweise haben wir damals überhaupt nicht gekannt, geschweige denn, dass ich eine Aufnahmebestätigung erhalten habe. Einer unserer früheren Kreisschatzmeister meinte mal zu mir: "Eigentlich bist du als Mitglied gar nicht existent."

Ich mache seit vielen Jahren Kommunalpolitik, mittlerweile seit 28 Jahren. Seit 18 Jahren bin ich im Rat der Stadt Dortmund, davon 12 Jahre als Fraktionssprecher und decke insbesondere die Bereiche Finanzen und Verkehr ab.

Wenn gestern von einem Raubzug in den kommunalen Kassen durch die damalige schwarz-gelbe Landesregierung gesprochen worden ist, dann kann ich Euch sagen, wir haben das damals am eigenen Leib erlebt. Ich will hierzu nur drei oder vier Beispiele nennen. Wer erinnert sich noch an die Erhöhung der Spielbanken-Abgabe oder an die Verdopplung der Krankenhausumlage zu Lasten der kommunalen Kassen, an die nachteiligen Veränderungen des Gemeindefinanzierungsgesetzes oder an den Solidarpakt Ost, über den die kommunalen Kassen viel zu stark gemolken worden sind, wie der Landesverfassungshof seinerzeit festgestellt hat.

Dortmund steht noch ganz gut da. Insbesondere wenn wir den Vergleich ziehen zu Städten wie Herne, Gelsenkirchen, Essen, oder dem Bergischen Land. Und wenn ich sage "Dortmund steht noch ganz gut da", dann muss ich aber auch sagen bei 1,2 Milliarden Euro Kassenkrediten und rund 800 Millionen Euro Krediten für Investitionsmaßnahmen. Also eine Verschuldung von rund 2 Milliarden Euro, und Dortmund steht noch gut da. Essen wird in wenigen Jahren komplett überschuldet sein, d.h. die Kredite sind höher als das Eigenkapital.

Schaut Euch einmal die Haushaltsicherungskonzepte der Ruhrgebietskommunen an. Ein kleines Beispiel: Die Stadt Castrop-Rauxel hat im letzten Haushaltsjahr nicht einen einzigen Euro für Investitionsmittel-Kredite ausgewiesen. Nicht, weil Castrop-Rauxel keinen Handlungsbedarf hat. Sondern weil Castrop-Rauxel in einer Nothaushaltssituation ist und keine Möglichkeiten hat, dringende Investitionsmaßnahmen anzugehen.

Daraus lässt sich nur ein Resümee ziehen: Die kommunale Handlungsfähigkeit ist im starken Maße eingeschränkt. Wir reden nicht mehr davon, inwieweit wir freiwillige Leistungen zusätzlich schaffen können, wir versuchen vielmehr, bestehende notwendige freiwillige Leistungen zu erhalten.

Insofern war es gut, dass die rot-grüne Landesregierung mit dem Stärkungspakt, mit einer Neuformulierung des GfG, ihren Anteil dazu beigetragen hat, zumindest ansatzweise die Finanzsituation der Kommunen zu lindern.

Ich möchte gerne überleiten wollen zum Thema Verkehr.

Was hat das Thema Verkehr mit dem Thema Finanzen zu tun? Eine ganze Menge.

Ein Beispielaus Hagen: Hagen, eine Nothaushaltskommune. Die ÖPNV-Verluste werden komplett aus dem städtischen Haushalt finanziert. Konsequenz: Die Hagener Verkehrsbetriebe sind aufgefordert worden ihren Beitrag zur Konsolidierung des Haushaltes zu leisten. Ergebnis: Fahrpläne werden ausgedünnt, insbesondere in den Schwachlastzeiten, die Fahrgastzahlen sind rückläufig. Eine Situation, die eigentlich nicht hinzunehmen ist.

Ich bin seit vielen Jahren Sprecher der GRÜNEN in der Verbandsversammlung des Verkehrsverbandes Rhein Ruhr (VRR). Viele von Euch kennen den Verkehrsverband Rhein Ruhr. Ein Zusammenschluss von Gemeinden zwischen Neuss und dem Kreis Unna. Mehr als 50 Prozent aller Verkehrsleistungen, die in NRW erbracht werden, werden vom Verkehrsverband Rhein Ruhr erbracht. Um einmal zwei Zahlen zu nennen: Wir wenden etwa 1,6 Milliarden Euro auf, um das Thema SPNV und ÖPNV innerhalb des Verkehrsverbandes Rhein Ruhr finanzieren zu können. Davon erwirtschaften wir etwa 1 Milliarde über Fahrgeldeinnahmen und 600 Millionen kommen zum großen Teil aus kommunalen Kassen, aber auch über Leistungen des Bundes und des Landes. Und wenn die "Piraten" davon reden, wir wollen "mal eben" das Ganze kostenlos machen und keine Antwort geben, wie diese Milliarde refinanziert werden muss, dann sollte man nicht von Piraten, sondern von Leichtmatrosen reden, die nicht hochseefähig sind, sondern bestenfalls auf dem Kemnader Stausee zurecht kämen.

Rot-Grün hat in den 20 Monaten einiges getan, um den Öffentlichen Personennahverkehr mit mehr Finanzen auszustatten. Ich denke hier nur an die Mittel zur Schülerbeförderung, die aufgestockt worden sind, oder an diverse Maßnahmen zur Investitionsförderung.

Aber: Es zeichnet sich ab, dass die ÖPNV-Einnahmen sich rückläufig entwickeln werden. Wir haben auf der Bundesebene eine Diskussion zur Modifizierung der Regionalisierungsmittel. Regionalisierungsmittel sind die Mittel, die vom Bund zur Finanzierung des schienengebundenen Personennahverkehrs vorgehalten werden. Da reden wir von etwa 40 Millionen Euro, die möglicherweise für das Land Nordrhein-Westfalen verloren gehen. Für den VRR sind dies rund 20 Millionen Euro. Und damit Ihr es greifen könnt: Für 20 Millionen Euro werden etwa 3 Millionen von ca. 45 Millionen Zugkilometern gefahren. Wenn das denn kommt, dann müssen entsprechende Leistungskürzungen vorgenommen werden. Daher meine Aufforderung an Euch, auf die Bundesebene und auch auf unsere Bundestagsfraktion einzuwirken.

Zurzeit wird auf der Bundesebene das Gemeindeverkehrswegefinanzierungsgesetz diskutiert. Das will Schwarz-gelb bis 2019 komplett auslaufen lassen. NRW erhält über dies Gesetz rund 370 Millionen Euro, die u.a. auch für den Öffentlichen Personennahverkehr eingesetzt werden. Wenn diese Mittel wegfallen, dann werden wir erhebliche Probleme bekommen.

Eine Energiewende ist nur mit einer Verkehrswende zu erreichen. Rot-grün hat das verstanden. Es ist daher gut, wenn statt für den Bau neuer Straßen und Autobahnen mehr Geld für den ÖPNV bereitgestellt wird.

Angesichts der knappen Mittel erleben wir jedes Jahr Fahrpreiserhöhungen. Mal 3 Prozent, mal 3,5 Prozent, mal 4 Prozent. Man lotet aus, was der Markt so akzeptiert. Konsequenz ist es, dass eine Vielzahl von Menschen aus einkommensschwachen Haushalten am gesellschaftlichen Leben in ihrer Kommune nicht mehr teilhaben können, weil sie die Fahrkarte nicht bezahlen können. Und deswegen haben wir nicht ohne Grund das Thema Sozialticket auf die Tagesordnung gesetzt. Wir haben im Rahmen von Haushaltsberatungen in Dortmund für einen Zeitraum von zwei Jahren einen Modellversuch finanzieren können und ein Sozialticket für 15 Euro anbieten können. Die Nachfrage, ich hätte es nicht gedacht, war immens. Die Menschen haben teilweise die Amtsräume gestürmt, wir hatten gar nicht so viel Personal, um das Ganze abwickeln zu können. 25 Prozent der Berechtigten haben dieses Sozialticket in Anspruch genommen, etwa 25.000 Menschen.

Wir haben mittlerweile auf der VRR-Ebene ein Sozialticket mit Hilfe der rot-grünen Landesregierung etabliert. Nicht zu den Konditionen, die wir gerne haben wollten, aber ein erster Schritt ist gemacht worden, und wir werden die kommenden Monate nutzen, um die entsprechenden Verbesserungen einzuführen.

Für das Thema ÖPNV möchte ich mich gerne in der neuen Landtagsfraktion einbringen. Dafür brauche ich Euer Vertrauen und Euer Votum.

Vielen Dank.